Der Weg von Lukas Mraz

Als er im Herbst 2013 in Berlin aufschlug und Küchenchef in der Cordobar wurde, trug er noch keinen Bart und wirkte mit seiner blonden Tolle und dem glatten Gesicht wie ein braver Schulbub. Ein Foto aus dieser Zeit haben wir allerdings nicht – das auf dieser Seite entstand Anfang 2015 und zeigt Lukas Mraz schon im Wikinger-Look. Da war er Mitte 20 und hatte sich bereits in die Spitzengruppe der hauptstädtischen Herdarbeiter gekocht.
Zuerst war es seine Blutwurstpizza im Takeaway-Karton, die stantape mit dem Attribut „legendär“ versehen wurde. Dann ließ sein Vegi-Knochenmark á la Fergie die Kritiker hyperventilieren – ausgekochte Markknochen, gefüllt mit einer Creme aus Eigelb, Sahne, Miso, Tofu und Rauchöl, namentlich eine Verbeugung vor dem englischen Küchenchef Fergus Henderson im Londoner St John. Und solche Sachen wie das Tandoori-Huhn mit Puffreis oder die Auster mit Granny-Smith-Schaum schließlich schienen sogar dem Michelinstern verdammt nahe zu sein. Doch es kam alles ganz anders.
Markus Mraz sagte leise Servus und verließ Berlin in Richtung Heimat. Der Gault Millau tarockte noch ein bisschen nach – seine an Wahnsinn grenzenden Kreationen seien immer einen Tick zu aromatisch, zu komplex und zu scharf gewesen, um als Weinbegleiter durchzugehen. Kommentar Markus Mraz: „Scheißegal, lese ich eh nicht.“

Der 1. Oktober 2018 war ein ganz normaler Herbstmontag – abgesehen vielleicht mal vom Wetter. 25 Grad Celsius und ein azurblauer Himmel, das ist zu dieser Zeit in Berlin nicht eben die Regel – ebenso wenig wie die vormittagliche Völkerwanderung nach Treptow..
Autos mit Kennzeichen aus halb Europa verstopfen die sonst eher verschlafene Elsenstraße, dazwischen dutzende Taxis, und selbst in den um 9.00 Uhr meist nur spärlich gefüllten Bussen der Linie 265 standen sich die Fahrgäste auf den Füßen. Das Ziel der Menschenmassen – die Chefdays Germany in der Arena Treptow, ein vom österreichischen Gastro-Magazin Rolling Pin gemeinsam mit der METRO veranstaltetes Foodsymposium. Auf der großen Bühne der angesagten Hauptstadtlocation wechseln die Küchenstars im Halbstundentakt und demonstrieren nicht nur ihr Können am Herd, sondern auch ihre Qualitäten als Entertainer: Mauro Colagreco, Kevin Fehling, Anthony Genovese, Jan Hartwig, Christian Hümbs, Ángel León, Tim Raue, Heinz Reitbauer, Ana Roš – und Lukas Mraz.

Der 28-Jährige kommt ganz in Schwarz und mit reichlich Wiener Schmäh: „Ich bin gut vor der Kamera und gut in der Küche, Tim Mälzer ist nur gut vor der Kamera, deshalb ist er auch nicht hier.“ Das Auditorium tobt. Doch Mraz kann´s auch nachdenklicher, etwa wenn er für mehr Frauen in den Profiküchen plädiert, für mehr Nachhaltigkeit wirbt – „das beginnt schon bei der Mülltrennung“ – oder an seine Kollegen appelliert, der jungen Generation die Sterneküche schmackhafter zu machen. „Je weniger steif unsere Läden sind, desto mehr werden auch von denen kommen, die sich bisher mit Dosenfutter die Bäuche füllen.“

Lukas Mraz zeigt quadratische Kacheln: „Die reiben wir mit Speck ab und räuchern sie in unserem Restaurant zehn Minuten lang mit Kirschholz. Er bestreicht die Unterlage mit Créme fraîche und verteilt darauf einige Kaviarnocken. „Das müssen die Gäste als Starter ablecken“, grinst er, „eine Watschn für die Anzugmenschen.“
Die tragen sowas mit Fassung, denn das „Mraz & Sohn“ in Wien-Brigittenau („vergleichbar mit Berlin-Wedding, nur nicht so cool“) gehört zu den besten Restaurants der Donaumetropole – zwei Michelin-Sterne, 18 Gault&Millau-Punkte, drei Hauben. Senior Markus Mraz, 50, wurde 2018 zum „Koch des Jahres“ in Österreich gekürt. „Seine Küchenlinie ist kreativ, minimalistisch, unkonventionell und experimentell zugleich.

Wie kaum ein anderer versteht er es, ein klares Geschmackserlebnis durch das gekonnte Spiel der Aromen auf die Teller zu bringen“, so die Begründung der Gault&Millau-Herausgeber. Seit sein Sohn Lukas ihm am Herd zur Seite steht, ist das Restaurant im Wiener Norden sogar noch einen Tick kreativer geworden. „Der Papa akzeptiert mich als gleichberechtigten Partner am Herd“, so Mraz jr., „außerdem haben wir jetzt beispielsweise viel mehr Möglichkeiten, kleinere Produzenten ausfindig zu machen, die uns Waren liefern, die wir bei den großen Händlern nicht bekommen und die unsere Küche voranbringen.“ Ob das Kapitel Berlin für ihn nun ein für alle Mal beendet sei, wollen wir wissen. „Schon“, erwidert Lukas Mraz, „ich hätte nach der Cordobar auch etwas Eigenes in Berlin machen können, Angebote gab es, aber ich habe mir gesagt, jetzt oder nie. Der Papa ist inzwischen 50, steht seit über 30 Jahren am Herd und irgendwann wird die Frage der Nachfolge ja sowieso mal akut.“

Das „Mraz & Sohn“ – eigentlich müßte es ja jetzt der guten Ordnung halber „Mraz & Söhne“ heißen, denn Lukas‘ Bruder Manuel managt das Restaurant – blickt also gelassen in seine Zukunft. Die Gäste haben es vernommen und jubeln. Die kulinarische Institution in der Wiener Wallensteinstraße wird ihnen noch lange erhalten bleiben.

Restaurant Mraz & Sohn

Wallensteinstraße 59
A-1200 Wien
Tel.: +43 (0)1 – 33 04 594
www.mraz-sohn.at

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