Kai Rückewold zur Situation der Brandenburger Landwirte und Gastronomie

 

Die wichtigste Frage heutzutage, Herr Rückewold, wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeitern?

So gut es eben gehen kann in Anbetracht der derzeitigen Situation. Natürlich machen wir uns alle Gedanken, wie es langfristig weitergeht und wann eine gewisse Normalität wiederkehrt. Aber das betrifft ja wohl derzeit alle. In erster Linie sorgen wir uns aber um unsere Mitgliedsbetriebe und hoffen sehr, dass sie diese Krise überstehen und erhalten bleiben. Dies gilt vor allem für unsere Landgastronomie und unsere Landurlaubsbetriebe.

Wie arbeiten Sie derzeit?

Wir haben bereits im letzten Jahr damit begonnen, unsere Arbeitsplätze ‚mobiler‘ zu gestalten. Das heißt, fast alle pro-agro-Mitarbeiter können ohne Einschränkungen von zu Hause aus arbeiten, und das tun sie derzeit auch. Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle sind also jederzeit für unsere Betriebe ansprechbar.

Pro agro hat sich die Förderung des ländlichen Raumes in Brandenburg auf die Fahnen geschrieben.Was können Sie angesichts der fundamentalen Erschütterung des gesellschaftlichen Lebens durch die Coronakrise denn derzeit bewirken?

Zunächst sind und bleiben wir das Bindeglied zwischen unseren Mitgliedern und dem Brandenburger Landwirtschaftsministerium. Das heißt, wir halten unsere Betriebe aus der Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie aus dem Land- und Naturtourismus auf dem Laufenden, wenn es wichtige Informationen in der momentanen Situation gibt.

In einer ausgesprochen schwierigen Lage ist der Veranstaltungssektor. Große Events, etwa die Eröffnung der Ausflugs- und Frischesaison im Land oder die BraLa, die Brandenburgische Landwirtschaftsausstellung, wurden abgesagt. Damit können auch die im Rahmen dieser und anderer Veranstaltungen geplanten regionalen Erzeugermärkte, deren Organisation ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist, nicht stattfinden.

 

Deshalb legen wir den Fokus jetzt verstärkt auf den Online- und Print-Bereich. Wir vernetzen bei Facebook und informieren auf unseren Internetseiten, wo in Brandenburg Landwirte und Genusshandwerker ihre regionalen Spezialitäten verkaufen. Eine unserer Veröffentlichungen dazu trägt den Titel ‚Einkauf im Grünen‘ und ist auf unserer Website www.proagro.de als Download zu finden. Darin sind 538 Brandenburger Direktvermarkter und Hofläden mit ihren Offerten aufgeführt und wir hoffen, wenn die ausflugsfreie Zeit vorüber ist, dass viele Berliner und Brandenburger die Angebote nutzen und auf Entdeckungsreise gehen, dabei Land und Leute kennenlernen und mit den Produzenten ins Gespräch kommen.

Kann die Brandenburger Landpartie am zweiten Juniwochenende stattfinden?

Nein, auch die Landpartie ist in diesem Jahr abgesagt. Pro agro wird eine Broschüre herausgeben mit guten kulinarischen Adressen in allen Brandenburger Landkreisen – Hof- und Regionalläden, Brennereien, Landbäckereien und -fleischereien, Fischern, Imkern und anderen Produzenten regionaler Spezialitäten.

Eines der vielen aktuellen Probleme der Brandenburger Landwirte sind die fehlenden Saisonarbeitskräfte – sind da Lösungen in Sicht?

Die Coronakrise sorgt für einen eklatanten Mangel an Erntehelfern. Vor allem im Spargel- und Erdbeeranbau drohen Ernteausfälle. Auch die Zierpflanzengärtner stehen vor großen Problemen. In dieser Ausnahmesituation haben sich schon viele Menschen gemeldet, um zu helfen. Wir ermutigen alle, die sich dazu in der Lage fühlen, es ihnen gleichzutun. Für die Vermittlung gibt es übrigens diese Plattformen: www.land-arbeit.com, www.daslandhilft.de und www.saisonarbeit-in-deutschland.de. Man muss natürlich wissen, dass etwa das Spargelstechen eine körperlich anstrengende Tätigkeit ist, bei der es um Tempo, aber auch um Präzision geht. Doch es werden auch dringend helfende Hände in der Logistik, der Verpackung oder für die mobilen Verkaufsstände gesucht.

Sie plädieren dafür, Lebensmittel nicht nur im Supermarkt zu kaufen. Was meinen Sie damit?

Selbstverständlich ist es für die Menschen am einfachsten, ihre täglichen Einkäufe, aufgrund des umfangreichen Sortiments, im Supermarkt zu tätigen. Viele unserer regionalen Unternehmen sind dort bereits gelistet und wir arbeiten gemeinsam daran, weitere Unternehmen unserer Region bei den Handelsunternehmen der Hauptstadtregion listen zu lassen, so dass Kunden diese in den Regalen finden können. Vielfalt ist wichtig – neben dem Supermarkt gibt es jedoch auch die Filialen der Handwerksbäckereien, Landfleischereien, gibt es Hofläden direktvermarktender Unternehmen mit frischem Obst, Gemüse und weiteren Produkten aus der Region. Sie haben auch in diesen Tagen für ihre Kunden geöffnet und brauchen ihre Kunden auch.

Mit dem Kauf vor Ort beim Erzeuger stärkt jeder die Heimatregion, außerdem sind die Gesichter und Geschichten hinter den regionalen Produkten erkennbar und erlebbar. Hier muss ich Ihnen aber Recht geben, die Versorgung der Berliner durch die Direktvermarkter aus Brandenburg ist durch die eingeschränkte Mobilität derzeit nicht ganz so einfach. Dennoch ein schönes aktuelles Beispiel: Einige Brandenburger Erzeuger, die auf Berliner Wochenmärkten verkaufen, berichten uns über ein erhöhtes Kundeninteresse.

Vielleicht rücken darüber hinaus aber auch Konzepte wie die der Marktschwärmer mehr und mehr in den Fokus. Auch Onlineplattformen wie www.q-regio.de, www.soreegio.de oder www.meatbringer.de bilden ein wichtiges Bindeglied und nicht zu vergessen, viele Betriebe haben auch schon lange eigene Onlineshops, in denen aus der Ferne problemlos eingekauft werden kann.

Wie sehen Sie die wirtschaftlichen Folgen für den Tourismus, die Gastronomie und Hotellerie in den Brandenburger Regionen?

Die Betriebe des ländlichen Tourismus, ob Landgasthöfe oder Ferien- und Pferdehöfe dürfen derzeit keine Gäste empfangen, haben allerdings laufende Kosten für ihr Haus und ihr Personal. Auch Tiere sind weiterhin zu versorgen.

In der Landgastronomie erleben wir derzeit viele kreative Ideen für Außer-Haus-Konzepte. Wie lange damit die fehlende Auslastung überbrückt werden kann, ist die Frage. Wir unterstützen unsere landtouristischen Unternehmen wo wir können, damit sie diese Zeit überstehen. Eine besonderes Projekt zur Unterstützung von Betrieben wurde von der TMB Tourismusmarketing Brandenburg entwickelt.

Auf der Plattform www.brandenburghelfen.de können sich betroffene Unternehmer registrieren, gleich ob Gastronomiebetrieb, Kultur- oder Freizeiteinrichtung, Landhotel oder Einzelhändler. Mit dem Kauf eines Gutscheins auf www.brandenburghelfen.de, der nach der Coronakrise eingelöst werden kann, können die Kunden Brandenburger Unternehmen unterstützen. Darüber hinaus gibt es eine Übersicht von Firmen, die Lieferungen oder eigene OnlineShops anbieten. Auch Spenden sind möglich. So können Gäste und Stammkunden ihrem Lieblingsrestaurant, einer Pension oder einem Hofladen schnell und unbürokratisch Hilfe zukommen lassen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Rückewold.

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