Das Café Baier – Rückzugsort mit Stil

Café-Besitzerin mit bewegtem Leben

Als Annette Baier 2014 die, bald darauf in Café Baier umbenannte, Schloßstraßeninstitution Le Café übernahm, lag schon ein ziemlich bewegtes Leben hinter ihr. Die heute 57-Jährige wurde in Großenhain bei Dresden geboren. Dem Abitur schlossen sich ein abgebrochenes Studium an der Dresdner Kunsthochschule und eine abgeschlossene Tischlerlehre in Meißen an. Es folgten 1984 die Flucht nach West-Berlin sowie Jobs in einem Fitnessstudio und in einer Intarsienwerkstatt. Als Backpackerin reiste sie ein Jahr kreuz und quer durch Australien.

Von der Kunst zur Kulinarik

Nach ihrer Rückkehr heuerte Annette Baier im Architekturbüro von Peter-Michael Krech an. Der hatte Anfang der 1990er das Atalante in der Neuköllner Richardstraße gebaut. Sie führte das Lokal, das damals mit seinen sonntäglichen Esskultur-Veranstaltungen – Literaturlesungen mit Menübegleitung – für einige Aufmerksamkeit sorgte. Annette Baier fand Gefallen an der für sie neuen Branche. Sie folgte Peter Michael Krech ins Umspannwerk am Paul-Linke-Ufer und managte dort das Restaurant H. H. Müller. 2003 holte sie Matthias Gleiß als Küchenchef ins Boot – dort „ein Glücksfall“ – und für ein paar Wochen auch Ilka Bessin als Restaurantleiterin. „Ein Missgriff, aber als Cindy aus Marzahn hat sie dann ja doch noch ihre Berufung gefunden.“

Besuch im Herzstück des Cafés

Anette Baier lud uns ein, ihr Café zu besuchen. Wir vereinbarten einen Termin. „Mittwoch, 21. Oktober?“ Passt. „Wenn Sie können, kommen Sie um sieben.“ Den Grund für das sündhaft frühe Treffen erklärt uns die Inhaberin beim Weg in die Keller-Katakomben der hochherrschaftlichen Jugendstilvilla am Zusammenfluss von Schloß- und Zimmermannstraße mit entwaffnend-charmanter Offenheit: „Ich wollte, dass Sie das Herzstück unseres Cafés kennenlernen.“ Das Herzstück besteht aus mehreren gefliesten Räumen mit relativ geringer Deckenhöhe, in denen zu dieser Zeit eine fast andächtige Betriebsamkeit herrscht.

Hausgemachte Leckereien

„Stress verdirbt nicht nur den Charackter, sondern auch den Kuchen“, erklärt uns Bajwa Zakaullah, genannt „Zaka“, Bäcker und Konditor mit Meisterbrief. Der 60-Jährige ist für das Brot und die Brötchen zuständig, für Mohn- und Zimtschnecken, Croissants und natürlich für eins der gebackenen Markenzeichen des Cafés, die Buchteln. Dabei handelt es sich um ein Wiener Germteiggebäck (Germ, österr.: die Hefe; germeln: nach Hefe schmecken), das später mit Vanillesauce serviert wird. In einer anderen Stube werkeln die Konditorinnen Milka Budiša und Helena Schembera (Bild li. unten, v.re.) an täglich einem Dutzend Kuchen- und Tortenklassikern und einem ganz besonderen Schmankerl: Crumble, der im Grunde ein Streuselkuchen ohne Boden ist und im Café Baier – gäbe es ihn mal nicht – wahrscheinlich einen Gästeaufstand auslöste.

Rückzugsort mit ursprünglicher Atmosphäre

Ohne Corona würde der Sturm um neun beginnen. Nicht auf das Kuchenbuffet, sondern auf den Zeitungsständer. Neue Zürcher, FAZ und Süddeutsche sind zuerst weg, was einige Rückschlüsse auf die Provenienz der Gäste zulässt. Anwälte, Geschäftsleute, Künstler und Wissenschaftler kommen regelmäßig in das stilvolle Refugium in der ersten Etage, das Sehen-und-Gesehenwerden-Publikum bevorzugt die Etablissements in Mitte oder Prenzlauer Berg. Den Stammgästen ist das nur recht, sie bevorzugen Rückzugsorte ohne Tamtam und feiern deshalb „ihr“ Café Baier und dessen ursprüngliche Atmosphäre als wahres Idyll.

Café Baier
Schlossstraße 26
12163 Berlin
www.cafe-baier.com

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