Mit kulinarischen Superlativen ist das so eine Sache. Zum Beispiel das größte Schnitzel. Wer ́s braucht, bitteschön, über die Güte des malträtierten Fleisches und über dessen Geschmack sagt das Attribut ohnehin nichts aus. Auch die längste Bratwurst oder das dickste Eisbein sind bestenfalls was fürs Guinnessbuch. Geschenkt also.
Anders verhält es sich da schon, wenn es um wirkliche Qualitätsurteile geht – etwa die besten Maultaschen. Da sollte man zweimal hinschauen und einmal mehr nachschmecken. Dessen war sich natürlich auch die prominente Tagesspiegel-Probierrunde bewusst, die im Oktober 2020 Maultaschen-Kreationen von neun Berliner Anbietern unter die Lupe und auf die Zunge nahm.
Platt & Co. bewerteten die neun Prüflinge durchaus moderat, dennoch konnte nur eine Sorte die Jury wirklich restlos überzeugen: Ebermanns Maultaschen, die unter dem Markennamen „Teig und Füllung“ verkauft werden. Das selten vergebene Prädikat: Spitze!
Sabine Hueck, welterfahrene Kulinarik-Expertin, TV-Köchin und Inhaberin des Schöneberger „Atelier Culinário“ lobte: „Unvergleichlich gut.“ Eatducation-Gründerin Nina Dombrovskis befand: „Schmeckt nach mehr davon.“ Und Feinspitz Thomas Platt fühlte sich schon nach dem ersten Bissen ein bisschen so, als hätte er ein persönliches Geschenk ausgepackt.
Mein maultaschenverrückter Freund Thorsten schließlich, dessen Meinung natürlich weit weniger maßgeblich ist, urteilte messerscharf, dass die Teig-und-Füllung-Kreation das Zeug hätte, auch in Stuttgart, Ulm und Biberach aufzufallen. Da wusste er allerdings noch nicht, dass Ebermanns Maultaschen genau von dort kommen, im schwäbischen Oberboihingen hausgemacht und dann nach Berlin auf den Weg gebracht werden.
„Der Maultaschenproduzent ist mein Bruder Jörg, wir beide sind lediglich schwäbische Maultaschenbotschafter“, klärt Bruno Ebermann auf und zeigt auf sich und seine Partnerin Anusha Sundaresan.
Ihren Kunden auf den Wochenmärkten an der Schöneberger Akazienstraße, der Preußenallee in Westend und auf dem Winterfeldtplatz, ebenfalls in Schöneberg, sind diese Feinheiten ziemlich schnuppe. Sie kommen in Scharen, um Maultaschen zu kaufen – geschmälzt, geröstet oder in der Brühe, klassisch, vegetarisch oder vegan. Die besten in Berlin.
„Sind die auch wirklich original schwäbisch?“, fragt ein soignierter älterer Herr in feinem Zwirn. Bruno Ebermanns Antwort kommt prompt: „Schwäbischer geht’s nicht.“
Wochenmarkt-Impressionen mit Bruno Ebermann und Anusha Sundaresan. Auskünfte mit Abstand, Lebenswege über den Tresen.
Bruno Ebermann ist Koch von Beruf – kein ambitionsloser Suppenschmied, sondern einer, um den sich jedes Sternerestaurant reißen würde. Der 29-jährige gebürtige Nürtinger absolvierte seine Lehre bei Martin Herrmann im Zwei-Sterne-Restaurant Le Pavillon des Schwarzwaldhotels Dollenberg. Es folgten Wanderjahre und auf Herrmanns französische Haute Cuisine der Modern French Style von Phillip Howard im ebenfalls zweifach besternten Londoner The Square. Und darauf die wegen ihrer Pastagerichte gerühmte Sterneküche von Martin Dalsass im Talvo in St. Moritz-Champfèr. In Australien schließlich lernte Ebermann das weite Feld der Paleo-Küche kennen und vervollkommnete seine Fertigkeiten am Holzkohlegrill.
Nach einem Zwischenstopp in seiner schwäbischen Heimat zog er wieder los – Metzgereipraktikum bei Bernd Müller in Oberkirch, Bäckereipraktikum bei Heinz Weichardt in Berlin.
„Was mir dann noch fehlte, war Asien“, erzählt er. Ein Jahr blieb er dort. Die schönste Geschichte: In einer Bar in Hoi An, das liegt in Mittelvietnam, lernte er die Frau fürs Leben kennen. Anusha Sundaresan, Rechtsanwältin aus Mumbai, machte in Vietnam Urlaub und kam zufällig in eben jene Bar, in der Bruno Ebermann jobbte. „Wir haben anderthalb Jahre eine Fernbeziehung geführt und uns dann gemeinsam für Berlin entschieden“, erzählt die 29-Jährige in fehlerfreiem Deutsch. Dass Anusha Sundaresan nicht nur sprachbegabt ist, beweist die Tatsache, dass sie noch in diesem Jahr ein Masterstudium im Fach Internationales Management abschließen wird.
Donnerstags, freitags und samtags ist Markttag für Bruno Ebermann und Anusha Sundaresan. Und mittwochs Produktionstag. Was müssen Sie denn produzieren, wenn die Maultaschen aus dem Ländle geliefert werden? „Kartoffelsalat und Brühe.“ Ach so. Bruno Ebermann hat das Abfällige in unserer Bemerkung natürlich gehört und lädt uns ein, dabeizusein.
Ort des kulinarischen Geschehens ist ein Gasthof in Malchow hinter der nordöstlichen Berliner Stadtgrenze, in dessen Küche sich die beiden eingemietet haben. Thema eins: Kartoffelsalat, schwäbischer Kartoffelsalat. Ebermann betont das Attribut und zelebriert dessen Zubereitung. Dafür benutzt er am liebsten die Sorte Annabelle, festkochend, aromatisch, gelbfleischig. Jeden Mittwoch werden 25 bis 35 Kilogramm davon gedämpft, gepellt, in Scheiben geschnitten – „nicht zu dick und nicht zu dünn“ – und mit Gemüsebrühe – „nicht zu heiß und nicht zu kalt“ – sowie Essig und Öl angemacht. Gewürzt und abgeschmeckt wird mit Salz und Pfeffer.
„Am Ende muss der Kartoffelsalat glänzen und schön schlonzig sein“, sagt Bruno Ebermann. Mit Letzterem meint er „gut feucht“. „Das ist deshalb wichtig, weil er nur dann zu allem passt, was nicht selber Sauce produziert, also Maultaschen oder Würstchen.“
Bleibt die Brühe. Knochenbrühe aus Brustspitzknochen vom Weiderind. Drei Viertel Knochen, ein Viertel Gemüse, auf keinen Fall zu viel. Champignons als natürliche Geschmacksverstärker, angeröstete Zwiebeln. Stundenlang geköchelt, vakuumiert, schockgefrostet. Und in der Pandemie ebenso populär wie Schwäbische Maultaschen mit Kartoffelsalat – weil Traditionen eben etwas Tröstliches haben.
Teig & Füllung
Ihr wollt mehr über die Herkunft der Maultaschen erfahren? Dann schaut in unserem spannenden Beitrag auf www.genussnetzwerk.com vorbei!