„Eine Curry bitte!“

Currywurst bei Jenny von Düsterlho

„Eine Curry bitte.“
„Scharf oder normal?“
„Sowas dazwischen.“
„Verstehe, scharf biste schon.“
Gerne hätte ich Jenny von Düsterlho ein Berliner Original genannt, aber das trifft es wohl nicht ganz. Erstens stammt sie aus Niedersachsen (was eben noch anginge), aber zweitens passt sie nicht in die Reihe der schrägen Vögel und schrulligen Typen von Kaiser Kasimir über den Grimassenschneider Horst „Knautschke“ Ehbauer bis zur Ficken-für-den-Frieden-Mahnwächterin Helga Goetze.

Nein, Jenny von Düsterlho ist eine Berliner Marktfrau und verkauft Bulette, Curry & Co. Dass sie auch Seelentrösterin, Lebenshelferin und Problemlöserin ist, gehört zu ihrem Berufsbild, ebenso wie das Gute-Laune-Talent und das Freundlichkeits-Gen. „Eine einzige Geste der Freundlichkeit ist eine kleine Weltverbesserung im Alltag“, auch solche Sätze sind vor ihr zu hören.

Jenny von Düsterlho – „alter Adel, aber wenig Jeld“ – geboren 1964 in Hannover, kam als Kind nach Berlin. „Papa hatte einen Imbiss an der Havelchaussee, ick habe jeholfen, det hat jeprägt.“ Dennoch eine Ausbildung zur Datenverarbeiterin. Rückkehr in den väterlichen Imbiss, den sie später gemeinsam mit ihrem Mann betreibt. 1999 Geburt der Zwillinge Lisa und Lars, auf die sie wahnsinnig stolz ist. „Lisa hat Steurfachjehilfin jelernt und studiert jetzt was mit Wirtschaft, Lars ist Fallschirmjäger bei der Bundeswehr.“

Seit dem Tod ihres Mannes im vorigen Jahr rockt sie den Imbiss­wagen alleine – dienstags und freitags auf dem Rüdesheimer, mittwochs und samstags auf dem Mierendorffplatz.
Ein Kunde fragt nach einer Kopfschmerztablette zum Kaffee. Jenny hat. Ein zweiter braucht ein Pflaster. Jenny hilft. „Mein Mann ist ins Krankenhaus gekommen, Corona“, klagt eine Frau. Jenny tröstet. So ist sie, und so sind ihre Kolleginnen. Mal warmherzig, mal kodder­schnauzig, immer aber echt. Berliner Marktfrauen eben.

„Was ick antworte, wenn mich eener nach meinem Beruf fragt? Naja, je nachdem. Ick habe mal EDV jelernt, lange her, bei Zeiss Ikon in Zehlen­dorf, aber eigentlich bin ick Markthändlerin und verkaufe unjesunde Sachen. Jenau. Unjesunde Sachen, die die Leute trotzdem lieben. Und das – janz wichtig – seit 34 Jahren.“

„Die meisten Kunden kenn ick mit Namen. Jut, manchmal ver­wechsle ick wat. Zu Norbert habe ick dauernd Thomas jesagt, aber det weeß ick jetzt. Nur den Optiker bringe ick durcheinander, der heeßt Dietmar und ick sage jedes Mal Detlef, vielleicht weil die Namen so normal sind. Janz bestimmt, denn bei den Mädels vom Stand jejenüber habe ick keene Probleme, det sind Namir, Aytül und Sevgi, det kann ick mir jut merken.“

„Na klar haben sich die Märkte in Berlin verändert, da ist janz viel per­du jejangen. Drei, vier Imbisse jab es auf jedem Markt, also normale Imbisse wie ick. Klara zum Beispiel, die hatte einen Drei-Meter-Stand, wo se nur Bockwurst verkauft hat. Aber ick sage ooch, die Imbisse kommen wieder. Berlin braucht det. Die Curry jab es schon immer, und die Curry jeht nicht unter, det ist sicher.“

„Nee, nee, Rente, daran denke ick jetzt noch nicht, aber wenn es soweit ist, dann will ick ooch ein Buch schreiben, wie die Busfahrerin, wissen se, die mit dem Bestseller, die Susi Schmidt. Den Titel hab ick schon. Meine Märkte. Bei dem Rest kannste mir ja ein bisschen helfen, hast det doch jelernt, also det Schreiben.“

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