Fischerei – Fangfrisch bei Wolfgang Schröder

Das Dörfchen Strodehne, 240 Einwohner, liegt im westlichen Havel­land, nahe der Grenze zu Sachsen-Anhalt. Der Treckerschrauber, den ich nach dem Weg zur Fischerei Schröder frage, ist zwar wortkarg, seine Antwort dafür aber präzise: „Gahlberg zwo.“ Dabei weist sein ausgestreckter Arm nach Süden. Obwohl weit und breit kein Berg zu sehen ist, erreiche ich nach wenigen Minuten das Fischerei-Anwesen. Neben dem Eingangstor steht ein „Kühlschrank des Vertrauens“, be­stückt mit vakuumiertem Räucherfisch und diversen Fischkonserven. Da ich weder Messer noch Gabel dabei habe, setze ich auf das Imbissangebot des Hofladens, der mittwochs bis samstags von 10.00 bis 16.00 Uhr und freitags sogar bis 18.00 Uhr geöffnet ist.

Auf dem Weg über das Fischereigelände begegne ich einem hoch­gewachsenen Mann mit Gummistiefeln, Schiffermütze und derbem Sweater – keine Frage, das muss der Chef sein.

„Wolfgang Schröder“, stellt er sich vor. Auf meine Bitte um eine Essensempfehlung reagiert er schnell: „Brassenfilet mit Kartoffelsalat oder Brassenburger und fürs Abendessen saure Bratbrasse.“ Brasse? „Unsere Spezialität“, sagt er. Und nicht nur das. Schröder hat Zeit und erzählt mir die ganze Geschichte.

In den meisten Fischkochbüchern kommt die Brasse überhaupt nicht vor – und wenn doch, dann nur unter, ferner liefen’ und mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass es sich um einen nicht eben edlen Süßwasserfisch handelt. Dass ich nicht lache. Fragen Sie mal Gäste, die unser gebratenes Brassenfilet probiert haben, wie die das sehen.
Wolfgang Schröder, Fischwirtschaftsmeister

Der 54-Jährige, Fischer in vierter Generation, stammt aus Havelberg. Fischerlehre 1983 bis 85, zehn Jahre später Fischwirtschaftsmeister und seitdem beruflich auf Havel, Elbe und vor allem dem Gülper See unterwegs. Das 570 Hektar große, allerdings nur ein bis zwei Meter tiefe Gewässer, ist als Internationales Vogelschutzgebiet ausgewiesen und gehört seit 2009 zur NABU-Stiftung Nationales Naturerbe. Für Freizeitangler und Wassersportler ist der Gülper See tabu, lediglich Berufsfischer und deren Mitarbeiter dürfen hier ihrer Profession nachgehen.

Wolfgang Schröder: „Durch seine geringe Tiefe ist der See ein idealer Laichplatz für viele Fischarten. Neben Zander und Hecht sind Aal, Barsch, Schlei und Wels sowie Karpfen, Karausche, Plötze, Quappe und Rotfeder im Gülper See heimisch. Und eben die Brasse.“ Schröder nennt ihn einen „Massenfisch“, weil er 70 bis 80 Prozent seines Fangs ausmacht. Im Jahr 2019 landeten insgesamt 32 Tonnen Brassen in seinen Netzen. Fisch, den kaum einer wollte und der deshalb in der Tonne landete, also beim Abdecker oder – moderner formuliert – in einer Tierkörperbeseitigungsanlage. Für Wolfgang Schröder ein Graus, sowohl finanziell als auch ethisch.

Früher galt die zur Familie der Karpfenfische gehörende Brasse als sogenannter ‚Brotfisch‘ und plötzlich sollte er nichts mehr wert sein, das verstehe wer will, sagte sich Schröder und entwickelte ein Veredelungskonzept. Inzwischen gibt es Brassenbulette, Brassenroll­mops, Brassensülze und eben die saure Bratbrasse. Ein regionales Produkt, nachhaltig und wertschöpfend zugleich, so wirbt die Fischerei Schröder für ihre Kreation und hofft natürlich auf Nachahmer.

Der Meister – einmal in Fahrt – will mir unbedingt noch sein Projekt „Erlebnisfischen auf dem Gülper See“ vorstellen. „Sie werden von uns wasserfest ausgerüstet, können beim Zugnetzfischen mittun und danach ein Fischmenü genießen“, bringt er sein Tourismus-Projekt auf den Punkt. Mein Projekt heißt jetzt Hofladen und Fischereiimbiss.

Beides befindet sich in einer ehemaligen Garage. Gleich nebenan hat Wolfgang Schröder eine stattliche Profiküche eingerichtet. Sie ist das Reich von Sebastian Krieblin und von seinem Stellvertreter Marco Möller. Küchenchef Krieblin stammt aus Kyritz und stand, bevor er ins Havelland kam, in Hamburg und Florenz am Herd, in „ziemlich angesagten Läden“, wie er sagt. Und nun Strodehne? Die Frage ist ihm offensichtlich nicht zum ersten Mal gestellt worden, denn die Antwort kommt prompt. „Sie mögen es als Karriereknick ansehen, für mich ist es eine Herausforderung.“

Er spricht über die Möglichkeiten, die Brasse, Karpfen, Schlei und Co. kulinarisch bieten und man sieht dem 34-Jährigen an, wie ernst er es meint. „In zehn, zwölf Jahren werden viele Köche, die heute noch ganz selbstverständlich jeden Tag Seeteufel, Steinbutt und Saint-Pierre servieren, ziemlich blöd aus der Wäsche gucken – so wie wir bisher mit unseren natürlichen Ressourcen umgegangen sind. Und Aquakultur hin oder her, die Rettung für alles, was wir verbockt haben, ist das auch nicht.“ Genauso leidenschaftlich klingt sein Plädoyer für die bessere Nutzung heimischer Fischarten, vor allen solcher, die kulinarisch bis­her unter ferner liefen rangierten. „Wir experimentieren zum Beispiel mit dem Karpfen“, erzählt er, „und selbst Menschen, die diesem Fisch nichts abgewinnen können, fanden unseren Karpfenschinken, mit Kräutern gefüllt und kalt geräuchert, ziemlich cool.“

Wir vergeben das gleiche Prädikat an das gebratene Brassenfilet und die saure Bratbrasse und schlagen dem Fischerei-Team vor, das bisher namenlose Mini-Restaurant „Brasserie Schröder“ zu taufen.

FISCHEREI WOLFGANG SCHRÖDER
Gahlberg 2
14715 Havelaue OT Strodehne
Tel. 033875 – 30 737
www.fischerei-schroeder.eu

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