Karrieren Berliner Kochbuchautorinnen

von Birgit Jochens

Unter den kulinarischen Neuerscheinungen deutscher Verlage im Jahr 2021 fielen uns zwei Titel besonders auf, die – so jedenfalls unsere Überzeugung, nachdem wir in beide Bücher ein bisschen reingelesen hatten – nicht nur eine Auflage erleben werden.

Der Grund für diese Annahme: Beide Werke bedienen nicht den sattsam bekannten und auf Dauer ziemlich öden Mainstream. Sie erzählen Geschichten, vermitteln Wissen und liefern so in vielerlei Hinsicht einen beträchtlichen Mehrwert.

Beginnen wir mit einem Band spannend erzählter Biografien Berliner Kochbuchautorinnen. Zwei Jahre lang recherchierte die Historikerin und Germanistin Birgit Jochens die Lebensgeschichten von Hedwig Heyl, Lina Morgenstern, Ottilie Palfy und weiteren „Pionierinnen ihres Metiers“. Sie stellte sie in den jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext und fügte eine Reihe typischer Rezepte hinzu. Ihrem Buch gab Birgit Jochens den programmatischen Titel „Zwischen Ambition und Rebellion“.

Birgit Jochens ist eine gute alte Bekannte – wobei, persönlich kennengelernt habe ich sie erst vor zwei Jahren, alles davor war platonischer Art.

Es begann Mitte der 1990er mit einem Buch. Birgit Jochens „Familienalbum Deutsche Weihnacht“ begeisterte mich damals derart, dass ich es gleich im Dutzend kaufte und vielen Freunden zum Weihnachtsgeschenk machte.

Vor vier Jahren folgte wieder ein Buch. An ihrer Biografie der Charlottenburger Kantstraße faszinierte mich die Ernsthaftigkeit, mit der die Autorin auf Erkundungstour ging: kein bisschen nonchalante Recherche, immer so tief wie möglich graben, nichts auslassen, jeden Stein umdrehen. Kein Wunder, Birgit Jochens ist Historikerin.

Die gebürtige Hamburgerin studierte in ihrer Heimatstadt und in Berlin Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Siegen und der Freien Universität und leitete von 1990 bis 2013 das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf.

In dessen Archiven stieß sie immer mal wieder auf Kochbücher und die Tatsache, dass die Biografien ihrer (zumeist) Autorinnen sich im Dunkel der Geschichte verloren. Das weckte – typisch Historikerin – Birgit Jochens Forscherdrang.

Eine jahrelange Spurensuche begann, deren Ergebnis – komprimiert auf bildreichen 160 Seiten – der Verlag für Berlin-Brandenburg (vbb) nun vorlegt. „Zwischen Ambition und Rebellion – Karrieren Berliner Kochbuchautorinnen“ ist „beste Kost“. Es ist ein kluges Buch für das Augenessen und die Hirnfütterung, sorgfältig zubereitet und spannend geschrieben, ein intelligent aufbereitetes Stück kulinarischer Geschichte, an dem man sich durchaus sattlesen kann.

Birgit Jochens porträtiert zehn Frauen, die sie „meine Kochbuchmädels“ nennt. Die Bezeichnung ist auch ein Beleg dafür, wie sehr ihr Hedwig Heyl, Lina Morgenstern, Ottilie Palfy und die anderen Autorinnen ans Herz gewachsen sind. Diese haben nicht aus Geltungsdrang zur Feder gegriffen, sondern die Küche auch als Kampfplatz der Emanzipation verstanden und mit ihren Werken – jede natürlich auf ganz eigene Weise – aus den tradierten Rollenbildern ihrer Zeit heraustraten. „Es handelt sich in allen Fällen um Frauen, die es wert sind, gewürdigt zu werden“, so Birgit Jochens.

Zwei Jahre hat die Historikerin und Germanistin an diesem Buch gearbeitet. „Ohne das Netzwerk, das ich in den vielen Jahren Tätigkeit als Museumsdirektorin knüpfen konnte, wäre manches Rechercheergebnis nicht zustande gekommen“, sagt sie.

Nicht nur die Erhellung der Lebenswege früher Vertreterinnen weiblicher Kochbuch-Produktion wie Sophie Wilhelmine Scheibler und Friederike Helene Unger bedurfte intensiver Forschungsarbeit, auch die Biografie etwa von Lilo Aureden erwies sich als harte Nuss – obwohl die Berliner Autorin in den 1950er Jahren lebte und kulinarische Bestseller sozusagen am Fließband schrieb.

Auch deswegen sagen wir: Chapeau, Birgit Jochens.

 

 

 

Verlag für Berlin-Brandenburg vbb

Binzstraße 19
13189 Berlin-Pankow

Hardcover, 21,0 x 22,5 cm
ISBN 978-3-947215-88-1
Preis: 25,00 Euro

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