Seit wann gibt es Tomaten in Europa?
Wie Kartoffel und Aubergine gehört auch die Tomate zur Familie der Nachtschattengewächse. Ursprünglich in Mittel- und Südamerika zu Hause, wo ihre zumeist gelben Früchte „tomatl“ (= dickes Wasser) genannt wurden, brachten sie spanische Seefahrer nach Europa. Hier allerdings schlug ihnen viel Misstrauen entgegen, lediglich der dekorative Charme der prallen Früchte sicherte ihnen das Überleben – allerdings nur im Ziergarten.
Die Italiener waren es dann, die Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts auch ihre kulinarischen Reize entdeckten. Der Weg in deutsche Küchen war damit allerdings noch längst nicht geebnet. Dort hielt die Tomate erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug, zuerst in Süddeutschland, später auch im Norden und in Städten früher als auf dem Land, wo die Menschen Neuem gegenüber misstrauischer waren.
Wo kommen unsere Tomaten heeute her?
Doch das ist Schnee von gestern. Inzwischen gilt die Tomate mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verzehr von über 30 Kilogramm (enthalten sind darin auch alle Tomatenprodukte wie Ketchup, Mark und Saft) als der Deutschen liebstes Gemüse – mit respektablem Abstand gefolgt von der Möhre, der Zwiebel und der Gurke. Insgesamt sind das stattliche 2,5 Millionen Tonnen Tomaten, von denen allerdings lediglich rund 100.000 Tonnen aus heimischen Anbau kommen. Das Gros der in Deutschland konsumierten und verarbeiteten Früchte stammt aus den Niederlanden und Spanien.
Massenmarkttauglich, normiert vom Saatgut über die Wuchsgröße bis zum Geschmack oder genauer – dessen weitgehender Abwesenheit. Vor gut zwei Monaten verkosteten Tagesspiegel-Reporter Ferdinand Dyck und die Chefin des Berliner Feinkosthandels „Luisa Kocht“, Luisa Giannitti, solche Importware. Ihr Urteil: niederschmetternd. „Die Supermarkt-Tomate ist prall und saftig, doch sie verweigert jedes Aroma. Keine Frucht, keine Süße, höchstens eine entfernt säuerliche Ahnung, verborgen hinter Ozeanen von Wässrigkeit. Auch ein erstklassiges Olivenöl… und eine Prise Salz helfen nicht weiter. „Wo nichts ist, lässt sich auch nichts wach kitzeln.“ Gustatorische Trostlosigkeit, obwohl Tomaten rund 400 Aromastoffe enthalten.
Übrigens: Nachdem die großen Saatgutkonzerne mit Hilfe genetischer Techniken die Tomate optisch wieder in Form gebracht hatten – die einst als holländische Wasserbombe geschmähte tischtennisballgroße blassrote Kugel ist tatsächlich passé – versuchen sie seit Jahren, die durch ihre Turbozucht abhanden gekommenen Zutaten guten Tomatengeschmacks der Frucht wieder einzupflanzen, also Geschmack und Gene in eine Beziehung zu bringen – so, wie es eben für die weniger aufwendig vererbten Eigenschaften wie Form, Farbe und Konsistenz bereits gelungen ist. Das Verfahren heißt SMART – smart wie schlau – , kostet Milliarden und soll den Großkonzernen irgendwann natürlich noch viel mehr Milliarden einbringen…
Wir jedenfalls lassen die äußerlich makellose Cherryrispe im Supermarkt ebenso links liegen wie die chice Aumȏnière und ziehen zur Tomatenzeit zu Menschen wie Horst Siegeris, die sich noch die Mühe machen, alte, geschmacksstarke Sorten anzubauen.