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Toller Hecht in Mecklenburg

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Der Hecht und die Feldberger Seenlandschaft

Sicher, es gibt Gegenden mit klangvolleren Namen. Die Feldberger Seelandschaft steht da ein bisschen abseits, zu Unrecht, keine Frage. Sie hält ein ausreichend großes Reservoir bereit, in dem Naturliebhaber, Stillesucher und Wanderfreunde mit Sicherheit ein Fleckchen finden, das ihren Intentionen entspricht. Dementsprechend euphorisch formulieren die Reiseführer: eine der schönsten Endmoränenlandschaften Europas, die beeindruckendsten Buchenwälder Deutschlands, seit 2011 UNESCO-Weltnaturerbe, versteckte Moore, glasklare Seen, Carwitzer See, Wrechener See, Wootzensee, Schmaler Luzin, Breiter Luzin, Haussee, ein Paradies des Nordens.

Wir sind auf dem Weg nach Fürstenhagen, einem abgelegenen 88-Einwohner-Dörfchen am Rande des Naturparks Feldberger Seelandschaft. Die Anfahrt, straßentechnisch eine Zumutung, hat sich seit 2008 – da waren wir zum ersten Mal hier – keinen Deut gebessert, aber da muss man halt durch, wenn am Ziel ein kulinarischer Leuchtturm blinkt. Und das ist die Alte Schule Fürstenhagen mehr denn je. Vor acht Jahren starteten Florian Löffler, zuvor Küchenchef im VAU und seine Partnerin Nadine Gala, hier zu neuen Ufern, zwei Jahre später übernahmen Daniel und Nicole Schmidthaler, packten noch eine Schippe drauf und machten die Alte Schule zu einer der besten Adressen im Nordosten Deutschlands.

Der Michelin-Stern, 17 Gault-Millau-Punkte und, na ja, zwei Feinachmecker – F begründen den Spitzenplatz ebenso, wie Daniel Schmidthaler Ehrung als Meisterkoch der Region 2016. „Hecht“, sagt uns der 35-jährige Küchenchef, „Hecht ist bei uns immer Thema, vorausgesetzt, Oli hat einen im Netz.“ Oli ist Oliver Pahlke, 26, Binnenfischer in Feldberg und seit zwei Jahren Schmidthalers Fischlieferant.

 

Hecht aus der Schulspeisung

Rund 250 Kilogramm Hecht jährlich holt Oliver Pahlke  aus den acht Seen, die er als Binnenfischer bewirtschaftet. Die Fische werden nach der Ike – Jime – Methode geschlachtet, das heißt, dem Fangstress folgt eine Ruhephase in speziellen Becken, dann erst werden sie mit einem schnellen Stich in den Kopf getötet und bluten aus. „Ike – Jime wirkt sich auf den Geschmack aus, das Fleisch der Fische wird cremiger, feiner“, so der junge Fischer. In Schmidthalers Küche erfolgt dann der so genannte Y-Schnitt . „Ich versuche gar nicht erst, den Hecht nach herkömmlicher Methode zu filetieren und die Gräten dann mit einer Pinzette zu ziehen, ich schneide sie einfach weg“, so der Sternekoch.

Gelernt hat er das bei seinem Landsmann Jörg Wörther, einst ein in Promi- und Gourmet-Presse omnipräsenter Küchenkünstler aus Salzburg, um den es allerdings heuer still geworden ist. Die portionierten und übrigens auch hautfreien Hechtfilets (tatsächlich haben wir in zwei Portionen nicht mal den Hauch einer Gräte gefunden) röstet Daniel Schmidthaler kurz auf der Grillplatte an, um geschmacksstärkende Röstaromen zu erzeugen und serviert sie mit leicht gedünsteten Rosenkohlblättern („dem so genannten Auswuchs, der Spitze des abgeernteten Strunkes“), halbierten und ebenfalls gegrillten Rosenkohlköpfen und einem säuerlichen Gemüse von der Zierquitte.

Würze bekommt das Gericht von geräuchertem und getrocknetem Hechtrogen und einigen Tropfen Zitronenverbeneöl, in Rapsöl „ausgelaugter“ Zitronenverbene. Bravo, sagen wir, Schmidthalers Interpretation (siehe Artikelbild) des meist als kulinarisch banal geschmähten Hechts belegt, wie einzigartig der Stil des junges Mannes am Herd der Alten Schule ist.

Was gibt es noch in der Alten Schule?

Nun geht es in der Fürstenhagener Alten Schule natürlich nicht nur um den Hecht, und allein des Fisches wegen hätten wir uns auch nicht auf den Weg gemacht, das überlassen wir gerne der Gourmet-Schickeria. Nein, bei Nicole und Daniel Schmidthaler geht es erstmal um zwei allzeit fröhliche Menschen, die kennenzulernen schon ein Gewinn ist. Und es geht um ein Konzept, das wohl einen gewissen Einmaligkeitswert haben dürfte, zumindest in Deutschland. Zuerst allerdings wollen wir einem Mann Reverenz erweisen, den wir zwar nicht kennen, aber ohne den es weder die Alte Schule noch das zugehörige 18-Zimmer-Gästehaus geben würde und manches andere in Fürstenhagen und Umgebung auch nicht.

Gemeint ist der Dortmunder Unternehmer Fritz Jaeger. Unter dem Dach seiner Gut Conow Gruppe gibt es Land-, Forst-, Fisch- und Wildwirtschaft, die Gut Conow Landprodukte produziert und vertreibt einen Trockenfleisch-Snack, der Conow Anhängerbau entwickelt und fertigt Hänger für die Landwirtschaft, die Tom Sawayers Boots Floßboote. Das Telefonstudio WittCall hat sich auf Telefondienstleistungen für Markt- und Meinungsforschung spezialisiert, und das ist noch nicht mal alles. Jaeger schuf hunderte Arbeitsplätze in einer strukturschwachen Region und sanierte auch das alte Fürstenhagener Schulgebäude…

Als der Österreicher Daniel Schmidtahler – nach Stationen in St. Christoph am Arlberg, Portals Nous auf Mallorca, Kitzbühl und Berlin – und Frau Nicole, gebürtige Mecklenburgerin, 2010 hier starteten, hatten sie eine gute Landküche im Blick, die ganzheitliche Verarbeitung regionaler Produkte, ein ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis, summa summarum eine „Genussküche“, wie Schmidthaler es nennt.
Das, was so brav und bieder klang, entpuppte sich jedoch schnell als frische, ungemein anregende Küche regionaler Produzenten, selbstbewusst uns zeitgemäß. Dazu gab es eine der spannendsten Weinbegleitungen im ganzen Nordosten und einen dermaßen herzlichen Service, dass man sich verwundert die Augen rieb und nicht glaubte, in Mecklenburg zu sein. Und so kam es, wie es Szenekenner erwarteten: Dass der Gast in der Alten Schule das angenehme Gefühl genießt, man wolle ihm einfach nur Maximum an kulinarischer Freude bereiten, war 2012 dem Michelin einen Stern wert.

Im September 2016 gab es wieder Applaus für Daniel Schmidthaler.

Der 35-Jährige wurde zum Meisterkoch der Region gewählt. Die Begründung der Jury: „Er verfolgt eine individuelle kulinarische Philosophie, die Bodenständigkeit und Gourmetanspruch harmonisch vereint. Aus regionalen Produkten wie Fisch und Fleisch, die er zu 80 Prozent von heimischen Erzeugern bezieht, kreiert er eine gehobene Landküche voller geschmacklicher Überraschungen“. Noch größer dürfte allerdings das Erstaunen der Alte-Schule-Gäste sein, wenn sie statt einer Menükarte eine freundliche Absichtserklärung in die Hand gedrückt bekommen.

Motto: Wir kochen für Sie und geben unser Bestes. Nun ist das keine Marotte eines ausgeflippten Küchenkünstlers, sondern einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass Schmidthaler eben nur das verarbeiten kann, was ihm seine Lieferanten bringen – und die heißen nicht Deutsche See oder Rungis Express – beziehungsweise, was er selbst im Schulgarten angebaut oder im Wald und Flur entdeckt hat: Wilder Meerrettich zum Beispiel, Neuseelandspinat, Hagebutten oder Herbsttrompeten. Weil die suggestive Wirkung von Edelprodukten entfällt, tritt das Handwerkliche besonders klar hervor, und darin ist Schmidthaler meisterlich.

Alte Schule Fürstenhagen
Zur Alten Schule 5
17258 Feldberger Seenlandschaft

www.restaurant-alteschule.com

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