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Brasilien ist im kommen

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Brasilien, das ist selten ein Thema in deutschen Zeitungen. Mein tägliches U-Bahn-Boulevardblatt druckt unter der Rubrik „Urlaubs-Wetter“ wenigstens das: Rio, 32 Grad, wolkig. Ansonsten – Brasilien – Fehlanzeige. In vier Jahren wird das anders sein. Wenn 2016 die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro anstehen, werden sich Berichterstatter in Bataillonsstärke aufmachen, um uns darüber zu informieren, was es im fünftgrößten Land der Erde außer Copacabana, Caipirinha, Fußball, Karneval und Samba sonst noch so gibt.

Sabine Hueck ist eine Brasilianerin in Berlin. Gut aussehend, modebewußt, von umwerfendem Charme. Und sie kann wahnsinnig lecker kochen, wahnsinnig interessant darüber reden und wahnsinnig kompetent darüber schreiben. Besucher empfängt Sabine Hueck in Ihrer Schöneberger Altbauwohnung. Große helle Zimmer, viel südamerikanischer Nippes und eine Küche, so groß wie bei anderen Leuten das Wohnzimmer. Das ist das Reich der 51-Jährigen. Küchenwerkzeuge aus der halben Welt, Gewürze, die einen ganzen Laden füllen würden und Champagner für alle, Sabine Huecks Lieblingsgetränk, auch wenn es nicht brasilianisch ist. „O Brasil está vindo aí“, sagt sie. Das ist portugiesisch und bedeutet: Brasilien ist im Kommen. Der Satz ist nicht neu. Brasilien sei das Land der Zukunft, befand schon Stefan Zweig, der mitten im Zweiten Weltkrieg, auf dem Höhepunkt der Selbstzerstörung Europas, das Land bereiste und fasziniert war von dessen natürlicher Schönheit und der friedlichen Lebensweise, Toleranz und Offenheit seiner 192 Millionen Bewohner.

Brasilien ist also im Kommen. Sabine Hueck meint das zu allererst kulinarisch. Was Berlin betrifft, bleibt der Wunsch allerdings noch immer hinter der Wirklichkeit zurück. Sicher, es gibt einige brasilianische Restaurants in der Stadt, am Kurfürstendamm und in Prenzlauer Berg, einige Imbisse, die zwar mit brasilianischen Fahnen auf sich aufmerksam machen, aber ansonsten nicht viel zu bieten haben und einen Supermarkt in der Kreuzberger Markgrafenstraße, der Fruchtpürees, Maniokmehl, Palmherzen, Tapiokastärke und eine Reihe anderer brasilianischer Spezialitäten anbietet.

Das war´s dann aber auch schon. Für Sabine Hueck kein Grund, ihr Urteil zu revidieren. „Es könnte durchaus möglich sein, dass ich unter bestimmten Umständen ein eigenes Restaurant eröffne“, formuliert sie bewusst vorsichtig. Schön wäre es ja. Dann gäbe es vielleicht solche afrobrasilianischen Gerichte wie Moqueca de peixe, das ist ein Fischeintopf, Bobó de camarão, eine Garnelen-Maniok-Spezialität oder Cal de sururú, Miesmuschelsuppe mit Koriander und Chili. Meinetwegen könnte sie auch alle anderen Lieblingsrezepte aus ihrem Buch Cocina Sabina hoch und runter kochen, lecker wäre es mit Sicherheit allemal.

Vorerst allerdings sitzt Sabine Hueck an ihrem Computer und schreibt ihr drittes Buch. Dafür war sie gerade einige Wochen in Brasilien. Einen Titel gibt es bisher noch nicht, es war nur zu hören, dass viele klassische Gerichte der brasilianischen Küche, die Geschichte ihrer Entstehung, der Reichtum ihrer Zutaten, darin eine Rolle spielen werden. Und möglicherweise macht Sie ja dann auch das wahr, was einige Freunde ihr vorgeschlagen haben – ein Buch zu schreiben über ihre Familie und deren Geschichte. Das wäre mindestens genauso spannend wie ihre Kochbücher.

Immerhin war ihr Urgroßvater, Friedrich Simon Archenhold, ein berühmter Astronom. Er gründete die Sternwarte am Treptower Park und war mit Albert Einstein befreundet. Ihr Großvater, Kurt Hueck, Botanikprofessor, wanderte 1948 nach Argentinien aus, lebte und forschte auch in Brasilien und Venezuela und wurde als Autor des renommierten Werkes „Die Wälder Südamerikas“ bekannt. Sie selbst kam in São Paulo zu Welt, war schon als Kind von der multikulturellen Gastronomie ihrer Heimatstadt fasziniert, absolvierte eine Ausbildung zur Hotel- und Gastronomiemanagerin und gründete in der brasilianischen Inselstadt Florian nópolis eine eigene Bäckerei. 1985 kam sie nach Berlin, gründete ein Cateringunternehmen, bot Kochkurrse an, wurde Genussforscherin, Weltreisende in Sachen Esskultur und kulinarische Botschafterin Brasiliens in der deutschen Hauptstadt.

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