Essig – Sauer macht Lustig
Gespräch mit dem Essig-Brauer Erwin Gegenbauer
Wieviele Essige haben Sie derzeit im Angebot?
Insgesamt 21 Fruchtessige, darunter Klassiker wie Apfel-, Himbeer- oder Quittenessig. Dazu kommen Raritäten, also Tomaten-, Spargel-, Safran- und der neue Aronia-Fruchtessig. Außerdem haben wir sieben Weinessige, zwei Trinkessige, einen Bieressig, einen Malzessig sowie sieben Balsamessige im Programm.
Wie entsteht eigentlich klassischer Balsamessig?
Ein sogenannter Muttersaft aus Trauben, Äpfeln oder anderen Früchten wird eingekocht, wobei es darauf ankommt, wie sehr man den frischen Saft zu Sirup reduziert. Je mehr man reduziert, desto mehr konzentriert sich der im Fruchtsaft enthaltene Zucker und desto dunkler wird der Saft, weil der Zucker karamelisiert. Dieser Saft wird dann zu einem süßen Wein, und dieser wiederum zu einem süßen Essig vergoren. Der junge Essig reift dann in Holzfässern heran, bei mir sind es ausschließlich Eichenfässer.
Worin besteht denn nun der Unterschied zu einem industriell produzierten Balsamico aus dem Supermarkt?
Das ist eine simple Mischung aus billigem Weinessig und konzentriertem Traubensaft, das ergibt dann den sogenannten weißen Balsamico. Um ihn dunkel zu machen, verwendet man Karamel und Zuckercouleur, und schon ist der Aceto Balsamico fertig.
Hat denn solcher oder anderer Industrieessig überhaupt eine Berechtigung?
Sicher, Industrieessige haben ihre Berechtigung für industriell gefertigte Einlegegemüse, Fischkonserven und andere Produkte, über die man nicht nachdenkt. Allerdings sehe ich in den letzten Jahren in Deutschland einen Trend, dass immer mehr Verbraucher sich damit beschäftigen was und wie man isst. Ich nenne das auch gerne Kopfnahrung.
Was meinen Sie damit?
Ich meine, dass man sich nicht mehr nur den Bauch füllt, sondern immer mehr über solche Fragen nachdenkt wie: Welche Rohstoffe werden verwendet, um ein Lebensmittel herzustellen? Wer stellt es her? Wie geht der Hersteller mit Abfällen um? Denkt er über die aufgewendete Energie nach? usw.
Sie plädieren für mehr Mut zu Saurem. Worin soll der denn bestehen?
Ich wünsche mir Köche, die sich etwas mit Essig trauen. Warum sollte man Fisch zum Beispiel nicht mit Essig marinieren? Warum nicht Fleisch damit einlegen, warum nicht alles ausprobieren und den Gast mehr fordern? Ich finde, wir haben es verlernt, die einzelnen Geschmacksrichtungen zu schmecken und zu deuten. Als Kind wird man mit etwas Süßem belohnt, das Saure ist als Gegenteil in unserem Hirn eingebrannt. Ich nenne das Konservativismus am Gaumen.
Werden Sie im kommenden Jahr noch neue Essige auf den Markt bringen?
Ja, wenn alles klappt, auf jeden Fall einen mit Apfelmandeln vergorenen Buchenspanessig.
Sie haben vor zwei Jahren neben Ihrer Essigmanufaktur auch eine Ölmühle gegründet. Weshalb eigentlich?
Für mich ergänzen sich Essig und Öl ganz wunderbar. Essig ist fein, hat geschmackliche Spitzen und ein sehr ausdifferenziertes Aromenspektrum. Öl dagegen schmeckt breit und vollmundig, hat richtige Power. Außerdem war es die einzige Möglichkeit, um den Standard zu garantieren, für den wir stehen.
Sie stellen unter anderen Kernöle aus Kürbiskernen, Traubenkernen und Pflaumenkernen her.
Dazu kommen die Fruchtkernöle, also etwa Himbeerkernöl, Johannesbeerkernöl oder Apfelkernöl.
Wird es 2013 auch neue Kreationen geben?
Erstmal haben wir in diesem Jahr auch drei Gewürzöle auf den Markt gebracht, Fenchel, Salbei und Kaffee. Im nächsten Jahr plane ich die Produktion eines Orangenöls.
Würden Sie bitte den Satz vervollständigen: Sauer macht lustig wenn…
Sauer macht lustig wenn ich bei einem Glaserl Wein würzige Gespräche mit lieben Menschen führen kann.
Wann macht sauer wütend?
Wenn Köche uns Gästen billigsten Mist als teures Juwel verkaufen.
Und wann nachdenklich?
Wenn ein süßes Mädchen an mir vorbei geht, ohne mir einen Blick zu schenken.
Vielen Dank für das Gespräch.