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Zu Gast bei Eberhard Lange im Restaurant Hugo’s

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Zweiundzwanzig Sterneköche gibt es aktuell in Berlin. Unter ihnen ist Eberhard Lange, was seine mediale Präsenz betrifft, derjenige mit den wenigsten Treffern. Kritiker nennen ihn gern „den Klassiker“. Das klingt nach kulinarischer Konservative, gemessen an anderen Titulierungen nachgerade langweilig. Nichts Brutales, Geniales, Radikales, nichts was Staub aufwirbeln könnte, nicht mal äußerlich. Nein, Eberhard Lange ist ein Mann, den wir als ebenso empathisch wie sympathisch kennengelernt haben, ein erdnaher Typ trotz seiner 1,98 Meter Körpergröße, einer, der in einer eitlen Branche bemerkenswert uneitel daherkommt.

Küchenalltag

Küchenalltag hatten wir uns gewünscht. „Unspektakulär“, hatte Lange geantwortet, „aber bitte.“ An einem Mittwoch im April, früher Nachmittag, waren wir dann zu Gast in der Hugos-Küche. Erster Eindruck: Ein OP ist auch nicht reiner. Lange liebt die Sauberkeit wie die Ordnung, alles Entbehrliche ist in Schränken und Schubladen verstaut, „alles was ‚rumliegt, stört die Arbeitsabläufe“, so der Küchenchef.

Immer mal wieder wischt er mit einem feuchten Küchentuch über die Edelstahlflächen und wir beobachten, dass es die Männer seiner Brigade genauso machen. Mise en place heißt diese Phase der Küchenarbeit, die, und das soll hier schon mal geschrieben sein, nichts aber auch gar nichts mit dem kontemplativen Akt der Speisenzubereitung am heimischen Herd zu tun hat. „Eine moderne Spitzenküche muss Abend für Abend Höchstleistungen erbringen. Damit dann, wenn darauf ankommt jeder Handgriff sitzt, ist die Vorbereitung das A und O. An jedem Posten, bis hin zum Spüler“, sagt man.

Der übrigens heißt im Hugos Stewart, des Job selbst bleibt der gleiche, hart und heiß. Gegen vier ist Pause, der Weg zur Kantine führt durchs halbe Haus. Lange erzählt, dass er schon immer Koch werden wollte und deshalb als Kind den jährlichen Schulfasching immer besonders herbeisehnte. „Durch das entsprechende Kostüm war ich dann meinem Traumberuf ganz nah.“ Er beendet die Polytechnische Oberschule – „so hieß das in der DDR“ – mit der 10. Klasse und mustergültigem Durchschnitt: 1,1. Wo hast’s gehapert? Lange lacht: „Im Zeichnen hatte ich nur ’ne zwei.“

Nach der Pause folgt das, was man vielleicht „Warmlaufen“ nennen könnte. Die letzten Stunden vor dem Service. Sechs Köche gehören zu Hugos-Brigade, plus Chef. Rücken an Rücke mit Lange arbeiten Sascha Blumstengel, seit 17 Jahren im Hugos und des Küchchefs rechte Hand. „Ich weiß am besten, wie der Chef tickt“, sagt Blumstengel und man glaubt ihm aufs Wort. „Reden wir mal über die Äußerlichkeiten, Herr Blumstengel. Wie viele Kochjacken haben Sie?“ „Zwölf.“ „Und sie, Herr Lange?“ „Fünfzehn.“ „Wir haben gefragt, weil uns die Kochkluft der Männer aufgefallen ist. Blütenweiß, kaum Werbung, wir haben das auch in Sternerestaurants schon anderes gesehen. No-panic-it´s-organic-T-Shirts, Basecaps, kurze Hosen, Birkenstock.

Blumstengel zuckt mit den Schultern: „Old School eben, Generationsfrage.“ Haha, der Mann ist 40. Am Pass gegenüber hat Gardemanger Johannes Gehrich – er ist zuständig für Dip´s und Snacks, das Amuse gueule, diverse Vorspeisen und andere kalten Ouvertüren – ein kleines Kunstwerk aus Spargel und Ei „gebastelt2 und zückt sein Smartphone. „Unser Fotobeauftragter“, sagt Lange, „ein neuer Job in der Küche, aber wichtig, unser Archiv.“

Gehrich zupft noch ein paar Blättchen und drapiert sie gekonnt auf seiner sommerbunten Kreation. Wir sprechen über das Verhältnis von Perfektion und Improvisation. „90:10“, schätzt der Küchenchef. Hochwertige Produkte, Luma-Beef etwa, Bresse-Wachtel oder Eismeer-Kabeljau verlangen eine präzise geplante und getestete Verarbeitung, „sonst geht´s in die Grütze.“ „Und dafür sind die Sachen zu teuer.“

Ein Kollege schrieb über Langes „kulinarische Vernunft, wie sie kaum jemand in Berlin so souverän verkörpert“! Das trifft es. Ebenso wie die Tatsache, dass Lange der lebende Beweis ist, dass man mit Gelassenheit weiter kommt als mit Verbissenheit. Das stammt von Thomas Kammeier, Langes früheren Chef. „Trotzdem“, sagt Kammeier noch, „er hat auch die innere Unruhe, die sensibilisierte ihn. Er zeigt sie nur nicht.“

Hugos Restaurant
Budapester Str. 2
10787 Berlin
www.hugos-restaurant.de

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