Geschichte der Cocktails im Landesarchiv Berlin
Am 02.März 2024 zeigte das Landesarchiv Berlin, wie die Berliner Bargeschichte und die Cocktails sich im Laufe der Zeit entwickelt haben.
Mit diesem Ansturm hatten selbst die größten Optimisten unter den Mitarbeitern des Berliner Landesarchivs nicht gerechnet:
Rund 400 Besucher fanden am ersten Märzsamstag 2024, dem 12. bundesweiten Tag der Archive, den Weg in den Reinickendorfer Eichborndamm 115-121. Dort, in den ehemaligen Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken (DWM), haben seit Anfang der 2000er Jahre das Landesarchiv Berlin, das Berlin-Brandenburgische Wirtschaftsarchiv sowie das Ernst-Reuter-Archiv ihr Domizil.
Bei Führungen etwa durch die Magazine, die Foto-, Karten- und Plakatsammlungen sowie an etlichen Informations- und Rechercheständen bekamen die Gäste an diesem Tag der offenen Türen gute Einblicke in die Forschungs- und Arbeitsthemen des Landesarchivs – und erfuhren natürlich auch, wie angespannt die finanzielle Lage nicht nur dieses, sondern auch vieler anderer Archive in unserem Land ist. „Die Dinge stehen tatsächlich nicht zum Besten“, so Professor Dr. Uwe Schaper, Historiker und seit 2005 Direktor des Landesarchivs Berlin.
Auf Garçon-Nachfrage erklärte der renommierte Wissenschaftler: „Insbesondere in den Bereichen Personal und fachgerechte IT-Ausstattung sind unsere Archive seit vielen Jahren chronisch unterfinanziert. Wir sind die Hüter eines unermesslichen Schatzes an authentischen Dokumenten, und unsere Expertise ist gerade jetzt, in den Zeiten der Diskurse über die Zukunftsfähigkeiten unserer Demokratie, dringend notwendig. Deshalb tragen neuerliche Einsparungen unweigerlich die Gefahr in sich, dass wir unsere Aufgabe als demokratiestärkendes Element nicht mehr im notwendigen Maße wahrnehmen können und abgehängt werden.“ Eine Aussage, die nachdenklich macht, zumal auch Journalisten nicht ohne Archive auskommen.
Der 12.Tag der Archive in Deutschland stand übrigens in Berlin unter dem Motto „Essen und Trinken“. Die Mitarbeiter des Landesarchivs präsentierten zu diesem Thema seltene und spannende Archivalien, und Dr. Michael Bienert referierte unter dem Titel „Geschüttelt und gerührt“ über Berliner Cocktailgeschichte zwischen 1870 und 1945. Wir baten ihn auf ein Wort.
Dr. Michael Bienert, Jahrgang 1978, wuchs im ostwestfälischen Lemgo auf, studierte an der Universität Potsdam Geschichte und Literaturwissenschaften und promovierte mit einer Arbeit über die bürgerlichen Parteien in den Landtagen von Brandenburg und Thüringen nach 1945.
Seit 2011 führt der Historiker die Geschäfte der Stiftung Ernst-Reuter-Archiv beim Landesarchiv Berlin. Er forscht zur Geschichte Berlins im späten 19. und 20. Jahrhundert, seine wichtigsten Publikationen gelten dem „Blockade-Bürgermeister“ Ernst Reuter (1889-1953). „Jedes Verständnis der Stadt und ihrer Geschichte“, sagte er, „muss ohne das Wissen um Ernst Reuter unvollständig bleiben.“
Ein großer Teil von Bienerts freizeitlicher Leidenschaft gilt ebenfalls der historischen Forschung – allerdings zu einem ganz anderen Thema: der Berliner Bargeschichte.
Interview mit Dr. Michael Bienert
Vermute ich richtig, Herr Dr. Bienert, dass die Berliner Bargeschichte im Jahr 1870 beginnt?
Sie spielen auf den Titel meines Vortrags an – ja, ich datiere den Beginn der Bargeschichte in der deutschen Hauptstadt auf dieses Jahr. Im Juni 1870 wurde Unter den Linden die erste Berliner Cocktailbar eröffnet, eine so genannte American Bar.
Was bedeutet dieser Name?
Na ja, er hob auf das amerikanische Vorbild ab. Dort gab es die ersten Bars, die ersten alkoholischen Mischgetränke, dort wurde 1860 auch der Shaker zum Mixen erfunden, das ständige Vorhandensein von Eis wurde gewährleistet …
Und wie ging’s dann in Berlin weiter?
Rasant. Um 1880, 1890 schossen Unter den Linden und in der Friedrichstraße weitere Cocktailbars wie Pilze aus dem Boden. Es folgte die Gegend um den Nollendorfplatz, der Ku’damm übrigens zog erst später nach.
Gibt es eigentlich Berliner Cocktailrezepte aus jener Zeit?
Ich habe bisher keine detaillierten Rezepte gefunden. Die ältesten Mix-Anleitungen, die ich recherchiert habe, stammen aus den 1920er und 1930er Jahren.
Haben Sie ein Beispiel parat?
Anlässlich der Überführung der sterblichen Überreste des im 1. Weltkrieg gefallenen Jagdfliegers Manfred von Richthofen, genannt der Rote Baron, wurde 1925 in Berlin ein Richthofen-Cocktail kreiert: Cordial Medoc, Cognac, Chartreuse Verte, das ist ein grüner Kräuterlikör, Orangenlikör und Rotwein für die Farbe.
Kann man das irgendwo detailliert nachlesen?
Noch nicht, erst im Herbst. Dann erscheint im BeBra Verlag mein Buch über die Berliner Bargeschichte. Darin finden Sie sowohl dieses als auch andere Cocktailrezepte.
Das merken wir uns vor, vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Bienert.
Ein paar Bilder von Cocktails die in heutigen Bars genossen werden können: