Man muss kein Feinschmecker sein, um zu verstehen, was Deutschlands Gourmet-Papst Wolfram Siebeck meint, wenn er sagt: „Heute ist deutsches gutes Brot nur noch ein Schatten seiner selbst.“
Die Ursachen dafür sind zwischen Hamburg, Berlin und München allgegenwärtig: Traditionsbäckereien schließen, Backfabriken boomen und Supermarktstationen, in denen Tiefkühlteiglinge mittels Hitze bearbeitet werden, schießen wie Pilze aus dem Boden.
„Aufbacken“ heißt das, was dort gemacht wird. Doch selbst diese Kombination ist eine Vergewaltigung des schönen alten Verbs „backen“ mittels E 1100. Bei diesem Lebensmittelzusatzstoff handelt es sich um tierische Enzyme. Ohne deren Hilfe die Teigrohlinge ihre Verwandlung in Backwaren nicht schaffen würden.
Allerdings: trotz dieser Tendenzen ist Deutschland immer noch das Land von über 400 Brotsorten. Und damit von weltmeisterlicher Vielfalt. Dass daran die Biobranche einen nicht unerheblichen Anteil hat, steht außer Frage.
In Berlin sind das solche Bilderbuch-Bäckereien wie Beumer & Lutum, Brotgarten, Märkisches Landbrot oder Soluna.
Seit dem 20. November 2008 ist nun auch einer der bekanntesten süddeutschen Biobäcker in der Hauptstadt vertreten: die Ludwig Stocker Hofpfisterei aus der Münchner Maxvorstadt.
Ihr Namensgeber pachtete die 1331 (!) erstmals urkundlich erwähnte Bäckerei 1917 von der Krongutsverwaltung des letzten bayerischen Königs, Ludwig III. Sie ließ sich auch dann nicht vom traditionellen Handwerk abbringen, als Backhilfsmittel und andere chemische Tricks die Backstuben eroberten.
1970 übernahm sein Sohn Siegfried Stocker den Betrieb. „Ziel der Hofpfisterei ist es, immer mehr Menschen mit immer natürlicherem und ursprünglicherem Brot zu versorgen, schrieb er ins Firmenstammbuch. Folgerichtig erfolgte ab 1984 die Umstellung des Betriebes von konventionell auf ökologisch. Die ersten Biobrote wurden gebacken, 1992 schließlich die ersten Bio-Semmeln.
Die Hofpfisterei – der Firmenname ist vom lateinischen „pistor“ abgeleitet und im süddeutschen Sprachraum ein Synonym für Bäcker – hat sich auf Bauernbrote aus reinem Natursauerteig spezialisiert. Das besondere dabei: deren traditionelle Herstellung.
„Das bedeutet Zeitlassen“, sagt Friedbert Förster. Er ist in der Hofpfisterei zuständig für Marketing und Verkauf, „Zeitlassen für die notwendige Reifedauer des Natursauerteiges, damit er sich während des sorgsam geführten 24-stündigen Prozesses langsam zur natürlichen Reife und dadurch zum harmonischen Geschmack entwickeln kann.“ Hinzu kommen bis zu zweistündige Backzeiten bei milder Hitze. Selbstverständlich werden ausschließlich ökologische Zutaten verwendet. Man verzichtet hier auf chemische wie künstliche Hilfmittel.
Das Ergebnis sind große runde Brote mit kräftiger, herzhafter Kruste, aromatisch-säuerlichem Geschmack und von langer Haltbarkeit.
Davon können sich nun auch die Berliner überzeugen. Einziger Wermutstropfen der Filialeröffnungen in Charlottenburg und Mitte: obwohl die Münchner Hofpfisterei auf ihren Tragetaschen mit einer strahlenden Sonne wirbt, regnete es in Strömen. Kommentar der ersten Berliner Kundin: „Rejen bringt Sejen“.