Marul und seine Biosennerei

Der Bergkäse sei der Felsen in der Brandung des Meeres aus industriellen Milchprodukten, heißt es in Österreich. Er sei der König des alpenländischen Käse-Universums, sagt man im Bundesland Vorarlberg, der dort beschworenen Heimat dieses Hartkäses aus Rohmilch, der nach 3 bis 24 monatiger Reifung auf den Markt kommt. Drei Herstellungsmethoden gibt es: die individuelle, bei der die Käselaibe in Bergkellern reifen; die traditionelle, bei der Zwischenhändler die jungen Käse aufkaufen und sie in Großkellern reifen lassen und dann verkaufen oder verarbeiten sowie die industrielle, deren Markenzeichen die Massenproduktion ist.

Wir sind unterwegs zu einem Vertreter der ersten Methode, der Biosennerei Marul, einem Ort im Großen Walsertal, rund 20 Kilometer von der Bezirkshauptstadt Bludenz entfernt. Die zwar gut ausgebaute, dennoch gassenschmale Bergstraße führt in gut 1.000 Meter Höhe. Marul gehört zur Walser Gemeinde Raggal und bietet Abgeschiedenheit, den Blick auf eine Bilderbuchlandschaft und eben die Biosennerei, genossenschaftlich geführt, ein Häuschen mit Käsetradition seit 1927.

Biosennerei = Handwerk

Uns empfangen Pirmin Jenny, Geschäftsführer der Sennerei, Käsemeister Klaus Pfefferkorn und dessen deutsche Praktikantin Eva Steege aus dem Badischen. Wir sprechen über Handwerk, Reifedauer und Aroma und über das, was in Deutschland häufig als Bergkäse verkauft wird – ein Produkt mit gummiartiger Konsistenz, labbrigem Biss und kaum Geschmack, austauschbare Durchschnittsware eben. Nichts von der typischen milchigen Fruchtigkeit, der cremigen und zugleich mürben Konsistenz, der exzellenten Aromatik der meisten Großwalsertaler Bergkäse.

Unser Bergkäse hat Geschichte und Identität und ist der einzige Vertreter der österreichischen Käsekultur, der sich mit den Favoriten aus Frankreich und der Schweiz messen können“, sagt Geschäftsführer Jenny. Damit stellt er den vor acht Jahren mit dem Titel „Genussregion“ geehrten Bergkäse aus dem Großen Walsertal in Vorarlberg auf eine Stufe etwa mit dem Comté, einem Hartkäse aus der Franche-Comté, dem Beaufort aus Savoyen oder dem Gruyere aus…

Das steht für durchaus gesundes Selbstbewußtsein. „Wir wissen, was wir können“, so Käsemeister Klaus Pfefferkorn, „nicht nur aber auch in Marul.“ Drei Dinge sind Käse entscheidend: die Fütterung der Kühe, die Herstellung des Rohkäses und dessen Reifung.

Neuen Biobauern beliefern die Biosennerei

Im Frühjahr werden die Tiere auf die sogenannte Vorsäß getrieben, eine Zwischenstation auf halber Höhe zwischen Tal und Alp. Im Sommer geht es dann hinauf bis zu 1 800 Meter, danach bis Oktober wieder auf die Vorsäß und schließlich ins Tal, wo während dieser Monate Gras wachsen konnte, das als Heu die Futtergrundlage für den Winter ist. Dieses Gras – vor allem natürlich in frischem Zustand – macht die Milch zu etwas Besonderem: Alpen-Rispe, Bergwegerich, Frauenmantel, Goldpippau, Löwenzahn sowie Braun- und Weißklee, eine Art alpiner Wildkräutercocktail, wandert durch die Pansen der Kühe und verleiht ihrer Milch ein unglaubliches Aroma. Neun Bio-Bauern beliefern die Maruler Sennerei zweimal täglich. Hier verarbeitet Käsemeister Pfefferkorn in großen Kupferkesseln eine Mischung aus Abend- und Morgenmilch, gibt natürliches Lab eigener Kälber hinzu, das die Milch gerinnen lässt, erhitzt den so entstandenen Käsebruch behutsam durch ein Holzfeuer auf 52° Celsius und formt in Handarbeit die riesigen Käselaibe.

Die Reifung in unserem Naturkeller mit konstanter Temperatur und Feuchtigkeit“, so Käsemeister Pfefferkorn, „erbringt schließlich einen mürben großartigen Bergkäse.“. „Moderne Reifekeller sind zwar klimatisiert und mit Ventilatoren für einen permanenten Luftzug ausgestattet, aber genau das ist der Tod jeder Käsereifung“, fügt Pirmin Jenny hinzu. Mit ihrer Devise scheint die Maruler Bio-Sennerei deshalb richtig zu liegen: Klein und fein wie Vorarlberg.

www.marulerbiosennerei.com

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