Stippvisite im Bandol sur mer

Saulfood at its best

Am 5. März, einem Donnerstag, fielen Termine ins Wasser. Ein Anruf im Bandol sur mer. Tatsächlich, es gab noch einen freien Tisch. Unser letzter Besuch liegt schon ein paar Jahre zurück, aber geändert hat sich auf den ersten Blick nichts.

Die Wände sind immer noch schwarz, die Monitore über der Tür immer noch blind, und auch die Zeiger der Bahnhofsuhr an der Wand stehen immer noch auf zehn nach neun.
Und Andreas Saul? Der ist inzwischen 39 und seit zwei Jahren auch Inhaber des Bandol („Ich mache das gemeinsam mit meiner Frau, sie ist für Administration und Buchhaltung zuständig.“).

Von den Äußerlichkeiten, deretwegen er einst als Küchen-Punk und Herd-Revoluzzer apostrophiert wurde, sind nicht viele geblieben. Und seine Küche, früher zum Berliner Freestyle hochgejazzt, ist alles andere als das (und war es sicher auch nie). Saul kocht mit bestechender Perfektion und beneidenswerter Raffinesse und immer mehr mit einheimischen Produkten.

Faktum ist: Andreas Saul serviert nur ein Menü. Verhandelbar ist lediglich die Foie gras, entweder ja oder nein. Die meisten Gäste wissen das, und die es nicht wissen, werden spätestens nach den ersten fulminanten Gängen erkennen, wie gut es war, sich voll und ganz in die Hand des Küchenchefs und seiner Leute zu begeben. Einen starken Eindruck hinterlassen schon die Vorspeisen, in denen sich geschmackliche Kraft mit handwerklicher Präzision verbindet.

Zum Beispiel beim fermentierten Rotkohl, begleitet von Rote-Bete-Püree, Rote-Bete-Pulver und einer Austernvelouté, die – Gott sei Dank – reichlich angegossen wird. Man kann ein bisschen ins Schwärmen kommen. Es folgt ein Algentaco mit Kombu und Nori, auf dem ein gebeizter und leicht gegrillter Kaisergranat, eingelegte Tomaten und eine frische Kapuzinerkressenmayonnaise eine stimmige Geschmacksperformance hinlegen.

Noch einen drauf setzt Sauls Kreation aus Kuttelfisch (das ist die alte Bezeichnung für den Echten Tintenfisch), Entenschinken, eingelegten Tomaten mit schöner Säure, halbflüssigem Eigelb und einem Hühnerfond.

Auch durch den zweiten Teil des BandolMenüs, das Andreas Saul bei unserem Besuch Anfang März servierte, zieht die Opulenz der Aromenvielfalt. In einem fabelhaften Fischgang findet sich neben dem forsch auf der Haut gebratenen Havelzander ein fein gewürzter Kürbisdumpling, ein witziger Sepia-Cracker und ein kraftvoller Waldpilztee, dessen Basis ein dichter Zanderfond ist. Im folgenden Gang werden perfekt gegarte Tranchen von der Iberico-Schweine- schulter von fermentiertem Rettich, Lauchpüree, Lauchmayonnaise und einer MisoHollandaise begleitet.

Sauls Foie gras ist gebraten und versteckt sich unter einer hauchdünnen Scheibe aus gekochtem, danach püriertem, dünn ausgestrichenem und bei niedriger Temperatur gebackenem Kalbskopf.

Angegossen wird eine UnagiSauce aus gegrilltem Aal, Knoblauch, Reiswein, Ingwer, Sternanis und etlichen weiteren Ingredienzen, deren Herstellung immerhin vier Tage dauert. „Unsere Geheimwaffe“, so Andreas Saul.

Dafür gab es 2016 den Michelin-Stern und in den Folgejahren die souveräne Verteidigung. Natürlich ist Saul stolz darauf, von Ehrgeiz zerfressen ist er jedoch nicht – oder wie soll man die Aussage „vor allen Auszeichnungen kommt immer die Familie“ sonst verstehen?

Ein Satz, den auch Alexander Seiser unterschreiben würde, 30-jähriger Gastgeber, Sommelier der Meisterklasse und in Berlin bestens bekannt: Horváth, Rutz, Reinstoff, mehr geht nicht. Seiser agiert mit Witz, Verve und bei der Selektion der begleitenden Weine mit dem gleichen Fingerspitzengefühl wie seine kochenden Kollegen.

Einen von Seisers Geheimtipps machen wir mit seiner Zustimmung öffentlich: www.apfelkinder-berlin.de – es lohnt sich, genauer hinzuschmecken. Wir hatten das auch vor, aber dann kam das Coronavirus. Andreas Saul schloss am 18. März sein Restaurant und hofft, durchzuhalten. „Es wäre schade, wenn wir nicht zurückkehren könnten“, postete er vor einigen Tagen.

BANDOL SUR MER
Torstraße 167
10115 Berlin-Mitte
www.bandolsurmer.com

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