Griechenland 2017. Das Wirtschaftswachstum ist negativ, die Arbeitslosenquote liegt über 20 Prozent, das Arbeitslosengeld unter der Armutsgrenze. Im kürzlich veröffentlichten Weltglücksreport gehören die Griechen zu den eher Unglücklichen.
Auf der Greece Food Expo, der größten Lebensmittelmesse in Südosteuropa, merkte man davon kaum etwas. Im Gegenteil.
Die Exposition, die in diesem Jahr zum vierten Mal auf dem Athener Messegelände stattfand, bot das bunte Bild einer erfolgreichen Branche, die jeden Grund der Welt hat, sich selbst zu feiern. So zumindest der erste Blick. Auf den zweiten Blick allerdings konnte man, wenn man es wollte, viele Geschichten finden, die nachdenklich machen – etwa jene von arbeitslosen Akademikern, die versuchen, mit attraktiven Verpackungen Kräuter und Gewürze als Souvenirs für Touristen an den Markt zu bringen. Auf den folgenden Seiten stellen wir manufakturelle Lebensmittelproduzenten vor, deren Spezialitäten durchaus auch in deutschen Geschäften eine Chance hätten.
Honig
Seine Bienen sind keine „Honigmaschinen“, sondern Stefanakis hält sie so wie schon sein Großvater in der unberührten Natur der Insel-Bergwelt. Das Ergebnis sind geschmacksintensive Sortenhonige (Salbei, Thymian, Kastanie, Orange- und Zitronenblüte beispielsweise – insgesamt acht Sorten). „Sie enthalten keine Rückstände und sind natürlich auch nicht mit Wasser oder Zucker gestreckt“, versichert der 50-Jährige. Meligyris-Honige gibt es in Berlin übrigens bei Rises Delicacies.
Meerfenchel
„Gourmet-Super-Food“ – unter dieser Headline vermutet man normalerweise eine große Bühne, der Stand über dem sie steht, ist allerdings bestenfalls zehn Quadratmeter groß. Dennoch drängen sich täglich hunderte Interessenten um ein paar Bilder, Gläser und zwei Männer. Theodore Skylakais, 57, und Alexandros Livas, 48, Kaufleute aus Athen werben für eine Küstenpflanze, deren kulinarischer Wert schon in der Antike bekannt war: Meerfenchel.
www.noveltradition.com
Salz
„Damals, 2009, waren wir Exoten, die der Mangel an griechischem Meersalz in den Geschäften veranlasste, ins Salzgeschäft einzusteigen“, so Karaslidis, „inzwischen hat die Krise viele Leute ans Meer getrieben.“ Spezialität von Salt Odyssey sind tetraederförmige Kritalle – die Männer nennen sie Salzflocken – in sechs verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen. Die gefragtesten: Paprika und Oregano.
Pasta
Jahrhundertelang waren Hartweizengries und Milch die einzigen Trahanas-Zutaten. Maria, die Urgroßmutter der Mallios-Brüder, war die erste, die vor fast 100 Jahren süße und säuerliche Nudeln herstellte – eine kleine Revolution. Die beiden jungen Männer experimentieren nun auch mit Dinkelmehl, Gojibeeren, Schafsjogurt sowie diversen Röstverfahren. Das Ergebnis, zehn verschiedene Trahanas-Spezialitäten, machte auf der Messe Fuore.
www.traxanas.gr
Peperoni
Inhaber und Küchenchef Tassos Naoumidis entschied – nachdem ihn immer wieder Gäste um Kostproben seiner Peperoni-Spezialitäten gebeten hatten – diese in Gläser zu füllen, zu pasteurisieren und an den Markt zu bringen. Er holte seine Söhnen Angelos, Jannis, Jorgos und Petros, alle waren ohnehin im Restaurant tätig, ins Boot, sie gründeten die Naoumidis-Manufaktur und schreiben seitdem eine kulinarische Erfolgsgeschichte.
www.piperiesflorinis.gr
Olive
Matina Larda wuchs auf Ikaria auf, einer Insel in der Ostägäis, studierte in London Politikwissenschaften und gründete gemeinsam mit einem Partner vor sechs Jahren die Firma Vaoni. Als deren Ziel nennt sie die Produktion und Vermarktung von inseltypischen Spezialitäten: Olivenöl und Olivenpaste aus den für die Region typischen Kalamata-Oliven; Trahanas, die traditionellen griechischen Teigwaren und Loukoumi, eine spezielle Süßigkeit aus Mastix, aromatisiert mit Bergamotte, Rosenwasser oder Vanille. „Wir versuchen, damit auch Arbeitsplätze auf Ikaria zu schaffen“, fügt Matina Larda noch hinzu.
www.vaoni-greekproducts.com
Meeräsche
Ferran Adrià zählte Trikolinos-Bottarga übrigens zu den 30 wichtigsten Grundprodukten seiner Küche; auch Juan Marie Arzak und seine Tochter Elena (Arzak/San Sebastián), Alain Ducasse (u.a. Alain Ducasse Au Plaza Athénée/Paris), Thomas Keller (u.a. Per Se/New York), Joan Roca (El Celler de Can Roca/Girona) und andere weltbekannte 3-Sterne-Köche gehören zu den Kunden der Traditions-Manufaktur mit Sitz im Athener Stadtteil Dafni. Geheimtipp eines griechischen Kollegen: geriebener Bottarga, „wie ein Gewürz zu verwenden“.
Rises Delicacies
Gemessen etwa an der Anzahl von Asia-Märkten oder Italo-Shpos kann man griechische Feinkostläden in Berlin an den Fingern einer Hand abzählen. Primus inter pares ist zweifellos „Rises Delicacies“ in Berlin-Mitte. Inhaberin Valli Paizi, 62, stammt aus Athen, studierte dort sowie in London und Wien Soziologie, arbeitete für die UNESCO und kam vor gut vier Jahren nach Berlin. 2014 eröffnete sie ihr Feinkostgeschäft, dessen Angebot ausschließlich aus manufakturell hergestellten Lebensmitteln besteht, die Valli Paizi allesamt direkt importiert.
Kalimera, Valli, wie läuft´s?
Efcharisto, sehr gut. Wir haben viele Stammgäste, nicht nur Griechen übrigens. Schauen Sie, draußen sitzt gerade der argentinische Botschafter, Señor Kreckler, er kommt regelmäßig wegen unseres Pítabrotes und auf ein, zwei griechische Kaffee.
Wir haben gehört, dass Sie Ihr Geschäft vergrößern wollen.
Nein es gibt lediglich ein neues Projekt – ich nenne es „Private Cheffing“.
Was verbirgt sich dahinter?
Wann wird Ihr „Private Cheffing“ starten, Valli?
Im September werden wir soweit sein.
Ein anderes Thema. Sie beziehen Ihre Feinkostprodukte direkt von den Erzeugern, zumeist sind das Kleinbetriebe, Manufakturen. Wie geht es denn dieser Branche derzeit in Griechenland?
Was soll ich Ihnen darauf antworten? So, wie es dem ganzen Land geht. Seit im Mai 2011 der Kollaps der griechischen Wirtschaft einsetzte, stieg die Arbeitslosenquote auf den höchsten Wert in der Euro-Zone: 23,5 Prozent. Hinzu kommt die gigantische Gesamtverschuldung von über 180 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das negative Wirtschaftswachstum. Davon ist jede Branche betroffen, darunter leidet jeder Grieche, von ganz wenigen Ausnahmen mal abgesehen.
Auf der Food Expo 2017 in Athen hatte man einen anderen Eindruck. Über 1.200 Aussteller und eine Vielzahl von Qualitativ hervorragenden Produkten: Backwaren, Meeresfrüchte, Gewürze, Honig, Käse, Olivenöl, Pistazien, Obst, Gemüse, Kräuter, Wein.
Keine Frage, viele der manufakturell hergestellten Feinkostprodukte sind von allererster Güte – das bestätigen mir auch meine Kunden. Monadiklos, unique, einmalig, das hören wir hier häufig.
Wo ist das Problem?
Die Produkte brauchen mehr Bekanntheit, einen größeren Markt. Dafür wiederum ist ein besseres Marketing nötig, Etiketten in deutscher und englischer Sprache usw. Insgesamt allerdings braucht Griechenland meiner Meinung nach eine Strategie für die Entwicklung des agrarischen Sektors und für die Veredlung seiner Produkte bis hin zu deren Verpackung und Vermarktung. Ich frage Sie mal: Woher kommt der Safran, den Sie zu Hause haben?
Aus Sardinien.
Sehen Sie, der griechische Safran ist von mindestens gleicher Qualität, aber kaum jemand kennt ihn. Das müssen wir ändern.
Vielen Dank für das Gespräch.
Rises Delicacies
Veteranenstraße 25
10119 Berlin-Mitte
Tel. 030 – 68 83 35 48
www.facebook.com/RisesDelicacies/