Wie der Müritzfisch auf die Teller kommt

Die Müritzfischer, der Fischkonsum und Berlins bester Koch

Rund 80 Prozent der Fischbestände in den Meeren dieser Welt sind überfischt, so die UN-Umweltorganisation UNEP, das heißt, es wird mehr gefangen als nachwächst.
Hinzu kommen die Folgen des Klimawandels. Mit der zunehmenden Erwärmung auch tieferer Wasserschichten müssen sich viele Fischarten neue Lebensräume suchen, was allerdings nicht allen gelingt.

Durchaus seriöse Prognosen gehen deshalb davon aus, dass die Ozeane bis 2050 weitgehend fischfrei sein könnten, wenn keine Alternativen gefunden werden.
So arbeiten Firmen weltweit beispielsweise an Produkten aus proteinreichen Pflanzen oder auf der Basis von Pilzen, die den Geschmack, die Textur und den Ernährungswert von Fisch nachahmen. Andere, wie Steakholder Foods aus Israel und Umami Meats aus Singapur, züchten und vermehren Fischzellen und formen diese in speziell entwickelten 3D-Druckern zu Filets. So soll es bereits 2024 in Singapur den ersten „gedruckten“ Fisch in Form eines Zackenbarsch-Filets zu kaufen geben…

Wir plädieren angesichts solcher kulinarischen Zukunft für die Nutzung unserer einheimischen Ressourcen – zumal da noch viel Luft nach oben ist. Nur ein Bruchteil des jährlichen Pro-Kopf-Konsums von rund 6,3 Kilogramm hierzulande entfällt auf Süßwasserfische aus deutschen Gewässern.
Alaska-Seelachs, Lachs, Thunfisch und Hering belegen mit weitem Abstand die ersten Plätze in der Verbrauchsstatistik – Forelle, Zander, Karpfen und Co. folgen meilenweit dahinter und machen gerade mal 8,5 Prozent des deutschen Fischkonsums aus.

Nicht nur an Deutschlands heimischen Herden sind Süßwasserfische eine eher marginale Erscheinung, auch in den Töpfen und Pfannen der Profis dominieren Flossentiere aus fernen Meeren. Zwei der Ausnahmen in Berlin (zum Glück nicht die einzigen) sind das Rutz und das Rutz Zollhaus.

Rutz Restaurant

Im Rutz, Berlins einzigem 3-Sterne-Restaurant, geht es um höchste Kreativität, perfektes Handwerk, um eine leichte, ausgewogene Küche, die auf Kontraste, klare Geschmacksbilder und auf Nachhaltigkeit setzt. Ein Beispiel: Karpfen dry aged, Garum Holunder. Dafür hängt der Ike-jime-geschlachtete Karpfen vier Tage lang bei zwei Grad Celsius im Reifeschrank, danach wird das Fleisch des Rückenstranges zu Tartar verarbeitet, der Bauch gegrillt, aus dem Mittelstück und dem Schwanz werden Chips. Der Rogen wird zu Kaviar, aus dem Rest entsteht nach neunmonatiger Fermentation das Garum. Der Karpfen stammt aus der Müritz, Lieferant sind die Müritzfischer.

www.rutz-restaurant.de

 

Rutz Zollhaus

Auch im Schwesterrestaurant des Rutz, im Rutz Zollhaus am Carl-Herz-Ufer in Berlin-Kreuzberg, sind die Müritzfischer eine feste Größe auf der Lieferantenliste. Der 36-jährige Florian Mennicken, nach Stationen im Slate, Facil, Lorenz Adlon sowie in Australien und Thailand, seit 2020 hier Küchenchef, verarbeitet vor allem Zander, Wels, Barsch und Saibling sowie zu besonderen Anlässen auch mal Stör – „am liebsten große Fische“, wie er sagt.

Die firmieren dann als „Fang des Tages aus unseren Gewässern“ auf der Speisekarte des idyllisch gelegenen Restaurants. Bei unserem letzten Besuch war das der Müritzzander (der Fisch stammte tatsächlich aus Deutschlands größtem Binnensee!), dessen auf der Haut gebratene Filets mit Spinatknödel, Rahmspinat, Dillssauce und Rauchmandel serviert wurde. Das klingt heftig nach Großmutter Gertruds Hausfrauenküche, und das soll es wohl auch. Mennickenn nennt es „Rettung der deutschen Esskultur“.

www.rutz-zollhaus.de

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