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Cuisine Féminine

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Küchenalltag in der Sternegastronomie. Wo auch immer auf der Welt – die Stars sind Männer, und nur wenige Ausnahmen bestätigen die Regel: Anne-Sophie Pic beispielsweise oder Nadia Santini, eine Französin und eine Italienerin. Beide sorgten mit drei Michelin-Sternen dafür, dass der Koch-Olymp ein wenig weiblicher wurde.

In Deutschland gibt es zwar eine Bundeskanzlerin, eine Frauenfußball-Nationalmannschaft und selbst die deutsche Michelin-Spitze ist weiblich – eine Frau mit der Höchstbewertung in der roten Bibel allerdings ist außer Sicht. Und auch die mit einem oder zwei Sternen bewerteten Köchinnen muss man mit der Lupe suchen: Sarah Wiener jedenfalls ist nicht darunter, obwohl die TV-Präsenz von „Mamsell Courage“ das vermuten ließe.

Die einzige Köchin hierzulande, die mit zwei Michelin-Sternen geehrt wurde, heißt Douce Steiner. Die 37jährige zierliche Frau steht im badischen Sulzburg am Herd, einem Ort zwischen Basel und Freiburg und kocht im Familienrestaurant Zum Hirschen dermaßen klassisch, fein und aromenstark, dass man ihr, weil auch gutaussehend und redegewandt, ein wenig mehr Medienpräsenz wünschte. Es muss ja nicht immer gleich Showstar sein – siehe Wiener.

Nach Douce Steiner kommen die Hamburgerinnen Cornelia Poletto (Poletto) und Anna Sgroi (Sgroi) sowie Christine Detemple-Schäfer (Le temple du gourmet) aus dem rheinland-pfälzischen Hermeskeil- Neuhütten mit einem Stern – das war es dann auch schon. Woran es liegen mag, dass in der Präzisions- und Improvisationsmaschinerie Küche so wenige Frauen den Ton angeben – möglicherweise an der schweren Arbeit am heißen Herd, wohl aber auch an den sonstigen Verpflichtungen – von Haushaltsführung bis Kindererziehung. Ein genauso wichtiger Grund ist sicher, dass die Machos in den Küchen der Welt den Frauen nur wenig zutrauen.

Paul Bocuse wird in diesem Zusammenhang häufig als Paradebeispiel genannt: „Ich liebe Frauen, sogar drei gleichzeitig, aber nicht in der Küche.“ Auch wenn sie es nicht zugeben werden, viele der Kollegen des Altmeisters hängen dieser modernen Variante der Prädestinations-Lehre an: „Frauen kochen so selbstverständlich, wie sie Kinder bekommen. Für zu Hause reicht das. Der Mann dagegen kocht nicht einfach, er ist kreativ.“ Peter Frühsammer, einst jüngster Sternekoch Deutschlands, dachte mit Sicherheit ebenso, bis er vor ein paar Jahren Sonja Kugel kennenlernte, die seit August 2007 Sonja Frühsammer heißt. „Sie ist heute schon besser als ich jemals an der Rehwiese war“, sagt er mit Blick auf sein früheres Restaurant im noblen Nikolassee, über dem bereits 1985 der erste Stern strahlte und das der Gault Millau mit 17 Punkten bedachte.

Dann gebraucht der eher sachlich nüchterne Mann im Zusammenhang mit seiner Frau und deren Kochkünsten ein superlatives Attribut, das man sonst selten von ihm hört: begnadet. Die ehemalige Villa der Sängerin Fritzi Massari, am Flinsberger Platz, seit 1931 Domizil des Grunewald- Tennisclubs, trägt seit einigen Wochen wieder ein kleines Schild – Frühsammers Restaurant. Hier versuchen Peter und Sonja Frühsammer den nicht immer ganz einfachen Spagat zwischen Club- und Gourmetgastronomie: er als Gastgeber vor und sie als Küchenchefin hinter den Kulissen. Da werden nachmittags Schnitzel mit Bratkartoffeln für zwölf jugendliche Tennisspieler serviert und abends Gänselebercreme mit Radicchiomarmelade, Steinbutt im Erbsen-Minzschaum, Milchlamm mit Artischocken und Kartoffel-Kalbskopf-Stampf.

Sonja Frühsammer und ihr Team kochen vernünftig und auf bestechend hohem Niveau, ob es sich nun um die kräftigende Hausmannskost für junge Sportler oder um die verführerischen Gerichte für Gourmets handelt. Was in Frühsammers Restaurant auf die Teller kommt, sind Visitenkarten einer kreativen und gleichzeitig ungeheuer geschmacksintensiven Küche, durchaus sterneverdächtig.

Immerhin: die Michelininspektoren wurden auf die junge Küchenchefin, die das Rampenlicht öffentlicher Aufmerksamkeit meidet, wo sie nur kann, schon im vorigen Jahr aufmerksam. Es gab den Bib Gourmand, eine Auszeichnung für Häuser, die eine gute dreigängige Mahlzeit für nicht mehr als 32 Euro anbieten und die in der Region Berlin-Brandenburg lediglich fünfmal verliehen wurde. Der Gault Millau übrigens ignorierte das Grunewald-Restaurant in seiner Ausgabe 2008 ebenso wie die Tester dem Zwei-Sterne-Restaurant von Douce Steiner in Sulzburg (siehe oben) nur 15 Punkte zuerkannten.

Hoffentlich liegt’s nicht an der programmatischen Bescheidenheit der beiden Chefinnen am Herd

Sonja Frühsammer, 39, kam im australischen Adelaide zu Welt – ihre Eltern waren Mitte der 60er Jahre dorthin ausgewandert. 1971 kehrten sie zurück nach Berlin, für Sonja und ihre Schwestern folgten Kita, Grundschule, Gymnasium. Während Barbara und Ursula, die beiden älteren, Kunst und Politik studierten, entschied sich Nesthäkchen Sonja für eine Lehre als Köchin. Nach dem Abschluss wechselte sie von der Siemens-Kantine ins damalige Sternerestaurant Alt Luxemburg. „Bei Karl Wannemacher“, sagt Sonja Frühsammer heute, „habe ich dann noch mal gelernt: nicht wild zu experimentieren, sondern mit Raffinement zu kochen, um dem Gast ein Maximum an kulinarischer Freude zu verschaffen.“ Der strenge, stille Patron war zufrieden mit der jungen Köchin, höchstes Lob im Hause Wannemacher. Der nächste Schritt auf der kulinarischen Karriereleiter

war bereits geplant, der Anstellungsvertrag im Gourmetrestaurant Schlossberg bei Jörg Sackmann unterschrieben, da kamen die Kinder – zuerst Leon, dann Sophia. Schwarzwald adé. Sie lernte Peter Frühsammer kennen, arbeitete zuerst als Aushilfe und wurde später die Partnerin des Sternekochs – im Leben wie im Job.

Servino hieß ihr gemeinsames Unternehmen – Catering für renommierte Kunden, 15 Mitarbeiter, 1,4 Millionen Euro Jahresumsatz. Ganz aufgegeben haben sie das Außer-Haus-Geschäft nicht – das Wissenschaftskolleg, das Audizentrum und die israelische Botschaft sind schließlich gute Kunden seit Jahren.

Von einer Jury der Hauptstadt-Marketing-Organisation „Partner für Berlin“ wurde Sonja Frühsammer kürzlich für den Titel „Berliner Aufsteigerin des Jahres“ nominiert – gemeinsam mit fünf kochenden Männern und als erste Frau seit es die Auszeichnung gibt. Nach dem wichtigsten Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Küche befragt, holt Sonja Frühsammer ein Buch aus ihrer Küche, blättert und zitiert eine Kollegin, die bekannte Kärntner Sterneköchin Sissy Sonnleitner: „Die männliche Küche will eher imponieren, die weibliche will beglücken.“ Peter Frühsammer hört zu, lächelt, begrüßt die ersten Gäste des Abends und bringt die Speisenkarten an den Tisch. Seine Frau sei eine begnadete Köchin, hatte er gesagt. Das heißt, hoch begabt – und so gesehen ist die Nominierung für den Titel „Aufsteigerin des Jahres“ mehr als gerechtfertigt.

Frühsamers Restaurant

Flinsberger Platz 8
14193 Berlin
Tel. 030-89 73 86 28
https://www.fruehsammer.com/

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