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Es muss nicht immer Pizza sein

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Sie bevölkern die Lokalitäten in Kreuzberg, Mitte und Prenzlauer Berg. Erkennungszeichen: iPhone oder iPod im Permanentbetrieb. Immer gibt es etwas zu bloggen, zu googeln, zu messagen. Gegessen wird nebenbei. Pasta und Pizza, vietnamesische Frühlingsrollen und russische Sushi. Restaurants, die das bieten, gelten bei der Generation 30 als angesagt.

Die Schwestern Kathrin und Mareike Schippel, Erzieherin und Innenarchitektin, der Account-Manager Felix Schönherr und der IT-Dienstleister Simon Hirschmann, alle vier knapp unter 30, gehören zu jener Generation. Eins unterscheidet sie allerdings von vielen ihrer Altersgenossen: sie interessieren sich für in ihren Kreisen alltäglichen Banalitäten wie Kochen, Essen und Trinken.

Irgendwann im August 2008 hatten sie deshalb die Idee mit dem kulinarischen Dienstag. „Wir wollten Berlins kulinarische Vielfalt kennenlernen“, bringt Felix Schönherr die Sache auf den Punkt. Der 28-jährige Zwei-Meter-Mann stammt aus dem baden-württembergischen Rottweil, schwankte nach dem Abitur zwischen Kochlehre und BWL-Studium, entschied sich schließlich für den Computer und gegen den Herd und arbeitet heute im Vertrieb der Berliner IBM-Niederlassung. Das Kochen wurde zu seinem wichtigsten Hobby und der kulinarische Dienstag zu einer festen Größe seiner Freizeit.

„Einer von uns wählt ein Restaurant aus, reserviert die Plätze und jeden ersten Dienstag im Monat treffen wir uns dann. Jeder bestellt nach eigenem Gusto, den Wein teilen wir uns meist“, ergänzt Kathrin Schippel, 29-jährige stellvertretende Leiterin einer Kita im Bezirk Tiergarten.

Ihre Schwester Mareike, 28 und Innenarchitektin, erinnert sich noch gut an das erste Treffen: „Ich hatte in Lin`s Mandarin gebucht, einem Restaurant mit mongolischem Grill. Der Abend war, was das Essen und den Service betraf, schlicht grausig.“

Inzwischen ist die Test-Gruppe auf 13 Mitglieder angewachsen. Zu den vier gesellten sich Christos, der Wirtschaftsingenieur, die Schauspielagentin Sandrella, Thomas, UX-Designer, die Journalistin Anja, die Marketingassistentin Annette, Torsten, Praktikant, Christian, Veranstaltungstechniker, die Studentin Britta und Nina, Marketingmanagerin von Beruf.

Seit sie ihren kulinarischen Dienstag startete, hat die Gruppe über zwanzig Restaurants getestet. „Berlin wird kulinarisch zunehmend internationaler und immer interessanter“, fasst Felix Schönherr die Erfahrungen zusammen und fährt fort: „Auch jenseits der sauteuren Sterneläden gibt es inzwischen eine respektable Gastroszene, die sich auf die Bedürfnisse eines jüngeren Publikums eingestellt hat.“

Welche Bedürfnisse sind das?Mareike Schippel erklärt: „Der Preis muss der Leistung entsprechen. Die Gerichte können originell oder klassisch sein. Die Hauptsache ist lecker. Außerdem legen wir großen Wert auf die Atmosphäre und einen netten Service.“

Am ersten Maidienstag war die Testgruppe im Noto (www.noto-berlin.com) in Mitte. Ein Freund hatte das Restaurant empfohlen, dem folgte eine Internetrecherche. Neben dem Internet sind die beiden Stadtillustrierten tip und Zitty übrigens ihre wichtigsten Informationsquellen. „Bei den Gastrokritiken in einigen Berliner Tageszeitungen hat man häufig den Eindruck, die Damen und Herren Restauranttester gehen mit Lupe und Skalpell zum Essen“, erläutert Kathrin Schippel ihre Vorliebe für die Magazine. Das Noto steht für „North of Torstraße“ und ist, so jedenfalls schätzen es die Schippel-Schwestern und ihre Mit-Tester ein, ein guter Ort, um in entspannter Atmosphäre ordentlich zu essen. „Das war bodenständige Küche, vier solide Gänge für rund 30 Euro, da kann man nicht meckern“, fügt Hobbykoch Felix Schönherr hinzu.

Tatsächlich: Im Noto gibt es ein täglich wechselndes Menü, eine vegetarische Alternative und die Möglichkeit, mit den Köchen darüber zu reden, denn ein großer Tisch, an dem zwölf Leute Platz finden, steht vis-à-vis der offenen Küche. Das Restaurant liegt im Trend und ist offensichtlich ein Produkt kluger Marktbeobachtung. Frische Küche, fröhliche Bedienung, kleine Karte, faire Preise – die kulinarische Dienstagstruppe vergibt eine glatte Zwei.

Irgendwann wollen deren Mitglieder ihre Testergebnisse ebenso ins Netz stellen wie die Antworten der Köche auf ihre Fragen nach der Herkunft der Produkte, denn längst ist ihr Blick auch dafür geschärft. Und so reden sie über die Turbomast von Hühnern und Schweinen, über nitratverseuchte Äcker und pestizidbelastetes Gemüse und darüber, dass weniger häufig besser wäre. Beim Kotelett ebenso wie bei der Kartoffel. Und, dass der gesunde Menschenverstand vor allem beim Lebensmittelkauf nicht außer Kraft gesetzt werden sollte.

Gut so etwas zu hören – erst recht von der Pizzageneration.

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