Libanesisches in Lichterfelde
Diese Geschichte beginnt 1970 in Berlin – und sie hat erst einmal nichts mit Gastronomie zu tun. Wer etwas will, sucht Wege, wer etwas nicht will, sucht Gründe. Tanos Haddad will etwas, er wollte schon immer etwas. Der Libanese, 1953 in Beirut geboren, kam mit 17 Jahren nach Berlin, lernte Flugzeugmechaniker und begann an der Technischen Universität ein Maschinenbaustudium.
Abbruch, Optikerlehre, Meisterprüfung, Selbstständigkeit. Dem eigenen Laden in Spandau folgte 1989 ein Fachgeschäft am Kreuzberger Mehringdamm. Spätestens da hätte er eine ruhige Kugel schieben können. Augen prüfen, Gläser schleifen, Gestelle reparieren, so wird man alt. Tanos Haddad jedoch ist ein unruhiger Geist und ein kreativer dazu – und – er liebt seinen Beruf. Als der Meister Anfang der 1990er Jahre seine erste eigene Kollektion Acetatbrillenfassungen auf deutschen Optikermessen vorstellte, staunten die Apolloniker und Fielmänner nicht schlecht. Ein kleiner Krauter aus Kreuzberg stahl ihnen die Schau. Maske-Brillen, so Haddads Label, wurden zum Messeschlager, blieben aber dennoch ein Nischenprodukt. Die Industrie hatte nachgezogen und produzierte in Asien Acetatbrillen am Fließband.
Tanos Haddad begann, über neue Materialien und deren noch bessere Verarbeitung nachzudenken. „Ich bin immer auf der Suche nach dem Besonderen“, sagt er. Er fand es in Form massiven Silbers und einer uralten japanischen Schmiedetechnik – Mokume Gane. Deren Ziel ist es, durch das Verschweißen dünner Metallplatten ein möglichst kontrastreiches, einmaliges Muster zu erzeugen.Gemeinsam mit Gustav, einem pensionierten Feinmechanikermeister, der in seiner Freizeit beim Werkzeugbau half, einer arbeitslosen Goldschmiedin, die ihm vom Amt geschickt wurde und seiner Partnerin Claudia Theil, Psychologin und Quereinsteigerin ins Brillengeschäft, die das Marketing und den Vertrieb übernahm, schuf Tanos Haddad eine Brillenkollektion, die schnell von sich reden machte.
Auf einer Messe im Sommer 2008 in Tokio verneigten sich selbst die kritischen Japaner vor den kleinen Kunstwerken und ihren Schöpfern. Im High-Tech-Land Japan gilt Handwerk noch was. Computer können eben nicht alles „Meine Brillen müssen auch dann stimmige, kleine Kunst-Stücke sein, wenn sie mit geschlossenen Bügeln auf dem Tisch oder im Etui liegen“, kommentiert der Optikermeister das Ergebnis der Arbeit seines kleinen Teams und feiert das 20-jährige Bestehen seiner Optikerwerkstatt am Mehringdamm.
Im zweiten Teil der Geschichte geht es um den Gastronomen Tanos Haddad, der aus Freude am Kochen und, weil er gerne Gastgeber ist, die Beletage seiner Lichterfelder Stadtvilla zum Restaurant machte. Jahrelang galt das Tanos in der Drakestraße als Refugium für Freunde einer authentischen libanesischen Küche. Im vorherigen Jahr, als er tage- und nächtelang an seiner neuen Brillenkollektion tüftelte, musste er es schließen. Der Kreuzberger Gastronom Volker Hauptvogel übernahm, nannte das Lokal „Kuckuck“, scheiterte aber. Nun heißt es wieder Tanos. Kitschfreie Räume, nahöstliche Eleganz, Geschäftigkeit, aber keine Hektik – das Tanos verbreitet eine wohltuend ausgeglichene Atmosphäre. Dazu trägt sicher der Umstand bei, dass ein Gast, der das Restaurant zum ersten Mal betritt, mit so freundlichen Understatement begrüßt wird, als sei er nur einige Wochen nicht hier gewesen.
Kein Wunder, Tanos Haddad und seine Partnerin Claudia Theil haben es in ihren angestammten Berufen mit Menschen in besonderen Situationen zu tun und wissen viel um Körper, Seele und deren Zustände.Hier servieren sie, was das Morgenland kulinarisch zu bieten hat. Arnabit, Hommos, Kibbe Kraas, Labne, M´tabbal und Tabboul beispielsweise sind Bestandteile der Mahlzeit, die Mesa heißt.
Zu deutsch bedeutet das Naschwerk. Die Übersetzung, die verdächtig nach Süßkram klingt, beschreibt nur unzureichend, was sich hinter der Mesa verbirgt: ein Tisch voller kalter und warmer Vorspeisen, pfiffig gewürzt und nicht eben knoblaucharm, für deren Genuss man auf keinen Fall unter Zeitdruck stehen sollte.Aromenreich ist dieses kulinarische Abenteuer und gesund. Nicht umsonst gilt die libanesische Küche als eine der vielseitigsten und schmackhaftesten des Orients. Experten stellen sie auf eine Stufe mit der französischen. Dass das Tanos seine Speisenvielfalt auch ausgesprochen geldbeutelschonend anbietet, ist der Tatsache geschuldet, dass sich die Drakestraße abseits der Touristenpfade befindet und selbst etliche Berliner ihr Navigationsgerät bemühen müssen, um nach Lichterfelde zu finden.
Übrigens: Nationalgetränk des Libanon ist Arrak, ein destillierter Traubensaft mit Anisgeschmack. Tanos Haddad empfiehlt allerdings eher einen der libanesischen Weine, die auch etwas von der kulinarischen Tradition seines Heimatlandes erzählen, die uns weit weniger bekannt ist, als die Cinas oder Japans etwa.
Tanos
Drakestraße 63
12205 Berlin-Lichterfelde
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