Billy Wagner – Eine Entwicklung, die wir sehr begrüßen
In den 90ern flog man nach Ibiza. Dort hatte man die Chance, exzessive Nächte zu erleben.
2010 ist nicht mehr viel von dem geblieben. Man reist nun in die Hauptstadt. Deutsch sein ist hip und besonders in Berlin.
Mittwoch geht es los. Meist endet es Dienstag früh in der Bar25, und am Abend klingelt schon wieder das Telefon, und das Cookies ruft. Zwischendrin besucht man die Panorama Bar inklusive Darkroom, das Watergate und seine Terrasse auf der Spree und das Weekend mit seiner Terrasse über der Stadt, und wenn gar nix mehr offen hat, geht es trotzdem noch im Golden Gate oder in der Wilden Renate weiter.
Genauso spannend ist es, die weinige Seite Berlins zu erleben. Ein Erfahrungsbericht von einem langen Wochenende zwischen Tiergarten und Friedrichshagen.
Der Flieger landet. Wir checken im Hotel ein und trinken an der Bar zum Wachwerden eine Flasche Leitz Riesling von Gunnar (1). Wir fühlen uns „angekommen“ in Berlin und werden heute beim Riesling bleiben.
Dafür Sorge tragen wird Herr Wu (2). Also, auf ins Taxi und den Kudamm hoch nach Westen, bis wir fast in Hannover angekommen sind. Wir werden mit Umarmung und einem gekühlten Glas Christoffel empfangen. Dazu gibt es Aubergine im Fischduft, Schwein und Rind, ich verliere den Überblick. Das Glas ist immer voll, und je länger der Abend dauert, desto älter werden die Flaschen und desto voller die Tischnachbarn.
Wohl genährt, aber noch nicht so richtig müde, nehmen wir den Fussmarsch zum Fasanenplatz auf uns. Dort öffnet der charmante Gregor Scholl (3) die Tür. Nach Begutachtung und Vorstellung der einzelnen Herren – wir werden bedauert, dass wir nur Herren sind – dürfen wir einschreiten. Die Magnum Bollinger wird geöffnet und im Nu geleert. Mehrere London Bucks und Seelbachs aus Silberschalen später kommen wir zerstört zurück ins Palace. Gunnar ist schon lange im Bett.
Am Donnerstag gibt es Frühstück im Einstein (4). Es ist 8.30 Uhr. Wir sind die einzigen Gäste. Die Atomsphäre und das Gefühl, drei junge Servicedamen für uns zu haben, ist einfach großartig. Mit vielen hervorragenden Cappuccini, etwas Ei im Glas und einer Flasche Delamotte machen wir uns auf zum zweiten Frühstück nach X-berg.
Hier öffnen Manu und Jürgen (5) ihre Schatzkiste. Wir probieren schwefelfreie Naturweine aus Amphoren oder alten Holzfässern. Georgien runter, Friaul und Slowenien wieder rauf. Bei exzellentem und höchst persönlichem Service schlagen wir uns zwischen den Gläsern den Ranzen mit selbstgemachter Wurst und reifen Käsen voll.
Am Nachmittag schlafen wir gemütlich im Görli auf einer Parkbank ein. Gott sei Dank haben wir etwas Weinproviant – trockener Riesling von Melsheimer – von Jürgen mitbekommen. Gläser – Fehlanzeige. Kein Problem.
Am Abend laufen wir zuerst am Helmholtzplatz bei Roy (6) ein. Etwas Wollschweinschinken mit frischem Meerrettich, etwas warme Suppe und einige Flaschen reifen Heymann-Löwenstein später machen wir uns auf den Weg zu Oliver und Cristina (7). Nach Bronx, Pegu Club und vielen weiteren Buck & Brecks mit Marie Luise von Raumland treten wir die Heimreise in Richtung Westen an. Es ist schon wieder hell.
Freitag starten wir spät, das Taxi wartet und bringt uns nach Köpenick zum Hauptmann Canis (8). Nach Aust, Pawis und anderen Schorlen liegen wir gesättigt am Müggelsee.
Wir kehren zurück nach Berlin-Mitte, machen einen Schlenker übers Rutz (9) und stärken uns mit Saumagenburger, Eisbein und Roulade. Dazu Helles von Rollberger und Eisweizen von Hopf.
Gegen Abend verschlägt es uns noch zu Herrn Schulz (10). Nach vielen alten Roten und Weißen von Philippi machen wir es uns bei Maureen und Jakob (11) mit einigen Jimmie Roosevelts gemütlich.
Am Samstag starten wir später, und das ist gut so. Ein fröhliches Salve und eine Pfütze bei Grobi am Kolle (12), dann ein paar Probierschlücke bei Sébastien (13) und ein paar weitere Naturweine bei Holger (14).
Auf geht’s zu Baroli und Babaresci zu Antonio (15). Es ist Samstagabend, und wir sind in Berlin. Das Watergate (16) ist offen, wir stehen an, wir nehmen Platz, tanzen bis es wieder hell wird und stillen unseren Durst genüsslich mit Antony Gutsriesling aus Rheinhessen.
Was Sonntag passiert, überlassen wir jedem selbst. Wir für unseren Teil lassen Sonntag einfach aus. Nehmen es nach dem Bar25-Motto: Sonntag ist Montag, und Montag ist Feiertag. Berlin ist frei, und die Gedanken sind´s auch.
Bevor es nach Hause geht, beschließen wir unsere weinige Berlin-Reise mit Burger, Rock´n Roll, Riesling und Scheurebe bei Helen & Walli (17). Es ist spät, aber egal, das Cookies ruft schon wieder.
Prost, mein Berlin. Dein Billy Wagner
1. Palace Hotel, Budapester Straße 45, Berlin-Charlottenburg, Chefsommelier Gunnar Tietz
2. Hot Spot, Eisenzahnstraße 66, Berlin-Wilmersdorf
3. Rum Trader, Fasanenstraße 40, Berlin-Wilmersdorf
4. Stammhaus Einstein, Kurfürstenstraße 58, Berlin-Tiergarten
5. Hammers Weinkostbar, Körtestraße 20, Berlin-Kreuzberg, Inhaber Manuela Sporbert und Jürgen Hammer
6. Weinstein, Lychener Straße 33, Berlin-Prenzlauer Berg, Inhaber Roy Metzdorf
7. Becketts Kopf, Pappelallee 64, Berlin-Prenzlauer Berg, Inhaber Oliver Ebert und Cristina Neves
8. Die Spindel, Bölschestraße 51, Berlin-Friedrichshagen, Inhaber Hendrik Canis
9. Rutz-Wein-Bar, Chausseestraße 8, Berlin-Mitte
10. Kurpfalz Weinstuben, Wilmersdorfer Straße 93, Berlin-Charlottenburg, Inhaber Rainer Schulz
11. Stagger Lee Berlin-Schöneberg, Inhaber Maureen Reichl und Jakob Etzold
12. Weinladen Schmidt, Kollwitzstraße 50, Berlin-Prenzlauer Berg
13. Vin sur Vin, Köpenicker Straße 18-20, Berlin-Kreuzberg, Inhaber Sébastien Visentin
14. Viniculture, Grolmannstraße 44-45, Berlin-Charlottenburg, Inhaber Holger Schwarz
15. Il Calice, Walter-Benjamin-Platz 4, Berlin Charlottenburg, Inhaber Antonio Bragato
16. Falckensteinstraße 49, Berlin-Kreuzberg
17. White Trash Fast Food, Schönhauser Allee 6-7, Berlin-Prenzlauer Berg
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