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Jürgen Hammer zu zwei 1982er Weinofferten

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Jürgen Hammer, Sommelier und Weinexperte. Da hockt er, der Franke und freut sich. Genuss macht glücklich.

Der 68er – in seinem Fall zeigt die Zahl allerdings nur das Jahr der Geburt und nicht die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftskritischen Gruppe an – kam vor sieben Jahren nach Berlin: Chefsommelier im Schlosshotel Grunewald, ein Jahr später in gleicher Funktion in der Weinbar Rutz. 2007 dann machte er sich gemeinsam mit seiner Partnerin Manuela Sporbert und einem ausgewählten Feinkost- und Weinsortiment in Kreuzberg selbständig. Zum Wein fand der Würzburger – übrigens wie viele seiner Kollegen – durch Geburt, Zufall und einen guten Lehrer. Da war zuerst der Blick vom heimatlichen Kinderzimmerfenster auf den Würzburger Stein, die wichtigste Weinlage der Gegend.

Dem folgten die gelegentlichen Pennälergelage mit saftigem Silvaner aus pummeligen Bocksbeutelflaschen. Für den stud. phil. Jürgen Hammer – Germanistik und Romanistik auf Lehramt – lag es nach diesen Erfahrungen auf der Hand, sich das studentische Budget mittels Kellnerei aufzubessern. Zu Zipfeln in Blausud servierte er volle Scheurebe und zu Häckerbrot würzigen Müller-Thurgau. Irgendwie kam es, wie es kam. Goethes Maximen und Reflexionen blieben ebenso außen vor wie die französischen Besonderheiten der unregelmäßigen Verben.

Hammer wechselte 1989 ins Weinfach. Im nahen Wertheim nahm ihn Pedro Sandvoss unter seine Fittiche, damals Chefsommelier in den Schweizer Stuben und Herr über Deutschlands besten Weinkeller in einem der drei besten Restaurants Deutschlands. Hammer begleitete Sandvoss auf seinen Weinreisen zu Burgund- und Bordeauxwinzern, zuerst als Französich-Dolmetscher, später als Degustationspartner. Von 1994 bis 1997 schließlich Chefsommelier in Dieter Müllers Restaurant auf Schloss Lerbach in Bergisch-Gladbach. Dann hatte Hammer „die Schnauze voll von der Drei-Sterne-Gastronomie, den Gästen, die auf großen Pneus vorfuhren und die Mannschaft unter unglaublichen Druck setzten“.

Er wechselte ins Kölner Vintage, ein unkompliziertes Restaurant mit glänzend bestückter Weinhandlung und vielen frischen Ideen. Etwa die Weinseminare für Amateurtrinker. Leitung: Jürgen Hammer. 2003 dann rief Berlin und – siehe oben. Wir baten den Weinkenner um seine Meinung zu den Weinkarten zweier Berliner Restaurants. Deren Besonderheit: sie sind 28 Jahre alt, eine aus West-, die andere aus Ostberlin.

Das, was mich am meisten amüsiert hat, als ich diese beiden Weinkarten des Jahrgangs 1982 aus Ost und West in die Hände bekam, war die Tatsache, dass die Unterschiede zwischen BRD und DDR in punkto Wein gar nicht so groß waren, wie mancher vielleicht meint. Klar, die Herkunftsländer: Im Osten gab es neben den Weinen von Saale-Unstrut und Sachsen ausschließlich Produkte aus den sozialistischen Bruderstaaten, hauptsächlich aus Ungarn, Bulgarien und Rumänien.

Im Westen dominierten vor allem Frankreich und Italien. Spanien war noch außen vor, und Deutschland und Österreich steckten in der Krise, die wenig später in den Weinskandalen Mitte der 1980er ihren traurigen Höhepunkt fand. Was auf beide Weinkarten gleichermaßen zutrifft, ist die begrenzte und ziemlich langweilige Auswahl. Das liegt zum einen sicher daran, dass Alsterhof und Ermelerhaus nicht unbedingt zu den Spitzenrestaurants, sondern eher zur gehobenen Mittelklasse gehörten. Zum anderen war die Weinwelt damals eben viel kleiner als heute. Bei uns spielten Weine aus Übersee so gut wie keine Rolle. Portugal sowie Süd- und Südwestfrankreich schlummerten noch im Dornröschenschlaf. Dafür konnte man im Einzelhandel eine Flasche Mouton Rothschild für 50 bis 60 D-Mark kaufen.

Jenseits der Mauer, im Arbeiter-und Bauern-Staat, waren die großen Weine aus Georgien und von der Krim nicht zu bekommen, dafür kostete ein 5-puttiger Tokay Aszu nur ein paar Ostmark. Allerdings sollte man nicht glauben, dass in der DDR nur sozialistische Einheitsplörre am Markt war. Es gab durchaus Weine guter Qualität, zum Beispiel aus Kekfrankos (Blaufränkisch) und Kadarka, die auch heute noch einen sehr guten Ruf genießen. Es gab Licht, vor allem aber viel Schatten, man musste sich halt ein bisschen auskennen. In der BRD war die Situation ähnlich.

Auf der einen Seite die großen Bordeaux und Burgunder und auch schon Italien mit tollen Weinen aus dem Piemont und den ersten „Supertoscans“. Auf der anderen Seite der obligatorische Elsässer, oft in Form des Edelzwickers, dessen Qualität meist zu wünschen übrig ließ und eben auch noch viele einfache und pappsüße Weine von der Mosel, aus Rheinhessen oder der Pfalz. Was man auch nicht unterschätzen sollte, ist die Tatsache, dass auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs Weingenuss zum Essen noch nicht besonders populär war.

Es wurde deutlich mehr Bier und Schaps als Wein konsumiert. Im Osten war die Kombination Speise und Wein gar kein Thema. Im Westen hatten Vordenker wie Franz Keller und Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau gerade begonnen, den kulinarisch Interessierten die Harmonie von Speise und Wein nahe zu bringen. Damit übrigens leiteten sie auch die Abwendung vom süßlichen und die Hinwendung zum trockenen Wein ein. Was also bei beiden 1982er Weinkarten auffällt, ist der geringe Anteil an trockenen Weinen.

Als Fazit bleibt zweierlei: Erstens, dass sich Osten und Westen, wie in einigen anderen Bereichen, auch beim Thema Wein, gar nicht so stark voneinander unterschieden. Zweitens, dass eine großartige kulinarische Entwicklung in den letzten 20 Jahren vonstatten ging. Nie zuvor gab es soviel guten Wein auf der Welt wie heute und spätesten seit der Wiedervereinigung so viele interessante gastronomische Innovationen, hüben wie ehemals drüben. Nicht nur in den Spitzenrestaurants, sondern auch in vielen kleineren Lokalen werden spannende Weinkarten mit einer breiten Auswahl und vielen Neuentdeckungen aufgelegt.

Also: Wir leben im „Platinum Zeitalter“ des Weines.

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