Michael Kempf zu seinem zweiten Stern
Michael Kempf, Berlins jüngster Zwei-Sterne-Koch im Restaurant Facil:
Wie haben Sie vom zweiten Stern erfahren?
Am Mittwoch vor der offiziellen Bekanntgabe der neuen Michelin-Sterne, also am 6. November, waren Eckart Witzigmann und Ralf Flinkenflügel, Michelin-Chef Deutschland, im Facil essen. Gegen 22 Uhr sind sie gegangen und baten mich, doch am Donnerstagvormittag zur Pressekonferenz zu kommen. Dabei habe ich mir nichts weiter gedacht, weil sie sagten, dass sie alle Berliner Sterneköche einladen würden.
Ich bin also hingegangen, traf dort Christian Jürgens, Jörg Sackmann und Sarah Henke, die mir gratulierten. Tja, und dann gab es die offizielle Mitteilung. Eigentlich alles ziemlich unspektakulär.
Ihre erste Reaktion?
Total überrascht. Natürlich habe ich innerlich gejubelt.
Wen haben Sie zuerst angerufen?
Meine Frau, nachdem ich es in der Facil-Küche probiert hatte, dort aber besetzt war. Dann meinen Chef Lutz Hesse (Geschäftsführender Gesellschafter The Mandala Hotel Berlin, d. Red.) und anschließend nochmal meine Mannschaft.
Da war dann nicht mehr besetzt?
Nein, ich konnte mit Mühe und Not die Neuigkeit mitteilen, schon beim Wort „zwei“ war Halligalli.
Was wird sich im Facil ändern?
Nichts, weder das Personal noch die Preise. Wir werden weiter an unserem Küchenstil arbeiten, dabei steht der Geschmack absolut im Mittelpunkt, denn der ist extrem nachhaltig.
Welches sind denn Ihre Kriterien für guten oder vielleicht sogar exzellenten Geschmack?
Ein Gericht darf nicht eindimensional sein, sondern es muss geschmacklich animieren, ich meine damit, im Mund muss immer was passieren. Allerdings bin ich eher ein Koch, der die Harmonie dem krachenden Aufeinandertreffen etwa von Süße und Säure vorzieht.
Nehmen wir mal eine Ihrer aktuellen Kreationen – etwa die geräucherte Makrele mit Malzcreme und Sonnenblumenwurzel – wie entsteht eigentlich ein solches Gericht im Facil?
Das ist ein ziemlich aufwendiger und langwieriger Prozess, der sich auch immer auf ein komplettes Menü, das heißt auf acht Gänge bezieht.
Und wie läuft dieser Prozess nun ab?
Am Anfang steht das sogenannte Product-Scouting, das heißt, wir bringen in Erfahrung, welche Produkte saisonal verfügbar sind und natürlich auch zu welchem Preis. Mit diesen Informationen ausgerüstet, können sich die Postenchefs 14 Tage auf das Menümeeting vorbereiten. Dazu treffen wir uns dann irgendwo in einem Café, diskutieren Gang für Gang die Vorschläge, verwerfen, verändern, legen fest und schreiben das Festgelegte auf. Dann folgt die Testphase. Die einzelnen Gänge werden gekocht, probiert, wenn nötig variiert. Parallel dazu läuft die Kalkulation. Am Ende geben unser Restaurantleiter Manuel Finster und Sommelier Felix Voges ihr Urteil ab. Erst, wenn auch das positiv ist, wird die neue Karte geschrieben, die dann vier bis sechs Wochen läuft.
Totales Teamwork?
Totales Teamwork. Ich bin kein Mensch der einsamen Entscheidungen.
Wie kam es bei Ihnen zum Berufswunsch Koch?
Ich stamme aus einem Akademikerhaushalt (Kempfs Vater war Archivar und Bibliothekar des Fürstenhauses Hohenzollern, d. Red.) und wollte ursprünglich Archäologie studieren. Irgendwie hatte ich dann aber das Gefühl, dass das eine brotlose Kunst sein könnte. In meiner Schule, der Sigmaringer Liebfrauenschule, hatte ich Hauswirtschaftsunterricht, ging in eine Kochgruppe, machte dann mehr aus Neugier, ein Restaurantpraktikum, ja, so kam das.
Bevor Sie 2003 nach Berlin kamen, haben Sie im Schlosshotel Lerbach in der Brigade von Dieter Müller gearbeitet. Was lernt man eigentlich besonderes bei einem solchen Ausnahmekoch?
Bei Dieter Müller neben allen handwerklichen und küchentechnischen Dingen vor allem ganz viel Menschliches. Wie man ein Team führt, wie man motiviert zum Beispiel.
Ist das der Grund, weshalb es in Ihrer Küche so ruhig zugeht?
Auch. Ich bin eben ein ruhiger Typ, und im Notfall lasse ich meinen Bluthund Jockel (Souschef Joachim Gerner, d. Red.) von der Kette. Nein, ich halte nichts von cholerischen Küchenchefs.
Stichwort Küchentechnik. Gehören Sie da eher zu den Konservativen oder probieren Sie schon einen Ultraschallgarer aus?
Ich bin auf dem Rückzug. Ich habe festgestellt, dass es doch besser ist, einen Lammrücken bei 120 Grad normal zu garen als bei Niedertemperatur im Wasserbad.
Und wie ist es mit neuen Produkten?
Ich bin offen für alles, Voraussetzung, es schmeckt. Und es muss wirtschaftlich vertretbar und kulinarisch vernünftig sein.
Zum Beispiel?
Innereien zum Beispiel oder Gemüse, die kaum noch verarbeitet werden. Ich bin hier natürlich nicht der Guru wie Michael Hoffmann – er war für mich übrigens der heißeste Kandidat auf den zweiten Stern in Berlin – aber einen reinen Gemüsegang gibt es in fast allen unserer Menüs. Auf jeden Fall sehe ich es als meine Aufgabe, bei unseren Gästen für Produkte zu werben, die in den Küchen selten geworden sind, und das müssen keine Edelprodukte sein.
Meist trifft man Sie in der Küche, auf den diversen Partys sieht man Sie selten…
Wir haben mittags und abends geöffnet, das ist ein harter Job. Außerdem habe ich in diesem Jahr geheiratet, also, ich gehe nur noch zu Veranstaltungen, die mir wirklich am Herzen liegen.
Und zum Essen zu Kollegen?
Ja, auch.
Wo waren Sie denn zuletzt?
In Nürnberg, bei Andree Köthe und Yves Ollech. Deren Essigbrätlein ist für mich eins der innovativsten deutschen Restaurants. Probieren Sie dort mal Reh mit Aprikose und Schnittlauchsaft, das ist schon große Küche ohne irgendwelches Gourmet-Getue. Ja, und dann im Facil.
Im Facil?
Mandala-Geschäftsführer Lutz Hesse und ich testen regelmäßig unsere Küchenleistung, indem wir bei uns selbst zu Gast sind.
Haben Sie eigentlich den dritten Stern im Blick?
Einer in Berlin wird ihn irgendwann kriegen. Wir konzentrieren uns erstmal auf die Verteidigung des zweiten, das heißt, wir arbeiten weiter an unserem Stil. Aber bitte, ein Kind, Vater-Werden, das wäre für mich persönlich schon wie ein dritter Stern.
Vielen Dank für das Gespräch.
Facil
Potsdamer Straße 3
10785 Berlin-Tiergarten
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