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Waldschänke Wiesenstein in Tegel

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Wiesenstein – Speisenmeisterei

Naturseide wird von Seidenraupen gewonnen. Die wiederum ernähren sich von den Blättern des Maulbeerbaums, ohne Maulbeeren also keine Seide.
Das wussten auch die preußischen Könige und förderten die Anpflanzung von Maulbeerbäumen und die Aufzucht von Seidenraupen. Friedrich II. (1712-1786) zum Beispiel erließ dazu zahlreiche Edikte, die eine beachtliche Seidenproduktion in Preußen bewirkten, jedoch letztlich nicht den erhofften ökonomischen Erfolg bescherten.

Relikte des Seidenbau-Booms findet man heute auch noch in Berlin. Ein Beispiel ist das alte Fachwerkhaus draußen in Tegel, dort, wo die Karolinenstraße einen harten Knick macht und in den Berliner Forst führt. Es stammt aus dem 18. Jahrhundert und war ein sogenanntes Kolonistenhaus, in dem ein Angestellter der gegenüberliegenden Seidenraupenzucht mit seiner Familie wohnte. Später wurde es ein beliebtes Wirtshaus, blieb von Kriegsschäden und dem Abrisswahn der Nachkriegszeit verschont und stand unter Denkmalschutz-was allerdings nicht verhindern konnte, dass 1996 ein Porschefahrer in die Frontseite raste.

Das Haus wurde saniert, aber erst im März 2005 wieder eröffnet. Im vorigen Jahr übernahmen die Vollblut-Gastronomen Marianne Cichos und Walter Burbach, sie Berlinerin, er Elsässer, die Wirtschaft am Waldrand, richteten das historische Gasthaus mit viel Liebe zum rustikalen Detail und etliche Antiquitäten ein, staffierten den großen Biergarten mit ordentlichen Korbmöbeln aus und modernisierten die Küche im Keller. Die Meinung der Gäste ist einhellig: In den urgemütlichen Stuben ist man fabelhaft aufgehoben, vor allem auch, wenn es etwas zu Feiern gibt.
Übrigens: Hinter dem Haus ist in den letzten Jahren ein kleines Hotel entstanden, in dem beispielsweise Hochzeitsgäste aus anderen Ecken Berlins oder der Republik nach der Party ihre müden Häupter betten können. „Sicher ein nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil hier draußen“, so Marianne Cichos und Walter Burbach.


Die Entscheidung schließlich, ob sie hier Berliner Hausmannskost, Elsässer Spezialitäten oder was ganz anderes anbieten, fiel den beiden Gastro-Profis ziemlich leicht,- weil sie erstens in Schöneberg und Tegel schon zwei schwäbische Restaurants betreiben und weil zweitens die schwäbische Küche bei den Berlinern offenbar einen guten Ruf genießt. Cichos und Burbach erfanden den etwas sperrigen Namen Wiesenstein Speisenmeisterei in der historischen Gaststätte „Alte Waldschänke“, setzten auf ihre Erfahrungen mit Spätzle & Co. und lagen damit goldrichtig. Neben der Spätzlevielfalt gibt es hier auch den Rest der Palette schwäbischer Klassiker: Flädlesuppe, Schneckenragout, Wurstsalat, Ochsenfetzen, Schäufele, Schweinsbrade, Zwiebelroschtbrade. Und natürlich gibt es Maultäschle, geröstet, in der Brühe, auf Linsen, das schwäbische Nationalgericht, das neben dem Automotor, dem Zeppelin und dem politischen Liberalismus zu den größten Leistungen unserer Landsleute mit dem eigenwilligen Dialekt gehört.
„Die Entscheidung für diesen Weg war goldrichtig“, resümiert Marianne Cichos. Die 63-Jährige umschreibt damit die Tatsache, dass die Alte Waldschänke nicht nur kulinarisch, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich ist.
Dass das auch in Zukunft so bleibt, dafür bürgen neben dem freundlich-burschikosen Service-Team auch Küchenchef Klaus Hahn und seine Männer. Hahn, der 48-jährige Oberfranke, ist ebenso wenig Schwabe wie der Rest seiner Brigade. Trotzdem gehen ihnen die Ländle-Highlights leicht von der Hand.
„Man muss nicht in Stuttgart geboren sein, um Spätzle schaben zu können“, grinst der Küchenchef und zeigt, wie`s geht. Spätzle, kein Thema also. Mehr sind es da schon die Innereien, die Hahn und seine Mannen blitzsauber zubereiten: Saures Nierle in Trollingersauce zum Beispiel oder Kutteln in Trollingersauce. Aber die meisten Berliner Gäste lassen die inneren Werte links liegen, das ist ihnen dann doch einen Tick zu schwäbisch. Dann doch lieber einen Lemberger oder einen Trollinger aus dem Glas.

Alte Waldschänke

Karolinenstraße 9
13507 Berlin-Tegel
Tel. 030 – 43 73 06 79

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