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Boca Gastrobar

11.418

Hannover, Treffpunkt Boca, die Gastrobar. In der List, einem brav-bürgerlichem Stadtteil der niedersächsischen Landeshauptstadt mischen zwei junge Männer die dortige Szene kulinarisch kräftig auf: Constantin Syring, 23, und Lukas Heimsothh, 20 (Foto v. li.). Die örtliche Presse jubelt begeistert: „Ohne Zweifel, im Boca sind junge Wilde am Herd, die raus aus der eng getakteten Sterneküche in die Freiheit drängen.“ Na ja. Also jung sind sie, keine Frage, aber äußerlich sehen die beiden nicht entfernt so aus wie die meisten anderen aus der Klischee-Schublade: keine Ganzkörpertattoos, kein Seeräuber-Outfit Marke Captain Flint, keine markigen Mienen á la Bruce Willis und das inzwischen szenenübliche Attribut „geil“ für die Beschreibung von Produkten und Gerichten kommt ihnen auch nicht über die Lippen.

Syring und Heimsoth wirken eher wie Lieblinge deutscher Schwiegermütter. Was die beiden besonders sympathisch macht – sie können kochen, verdammt gut sogar und mit der gleichen Begeisterung über ihr Handwerk reden. Und sie halten sich nicht für die Größten. „Wir sind hier angetreten um ein kulinarisches Konzept zu verwirklichen, das auch unseren Altersgenossen Spaß macht. Schmackhaft, gesund, bezahlbar und vielleicht ein bisschen anders als anderswo“, so Syring und Heimsoth. Das klingt ebenfalls nicht nach wildem Kitchenrock, und so liest sich auch ihre Speisekarte zwar nicht brav und bieder, aber auch nicht abgedreht und verrückt. Mag sein, dass das in Hannover schon reicht, um als junger Wilder zu gelten…

Urheber des Boca-Konzepts ist Christoph Elbert, ein Schwergewicht, nein, das Schwergewicht der Hannoveraner Gastronomie im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Elbert, seit 35 Jahren Gastronom und seit 25 Jahren selbstständig, betrieb früher weit draußen vor den Toren der Leinestadt den Höpershof in Wedemark und bewies spätestens mit der Gründung des Restaurants 11A, Beiname: Küche mit Garten, sein Händchen für unkonventionelle, aber erfolgreiche Gastrokonzepte.

,,Das eigenwilligste, spannendste und die Gemüter entzweiendste Restaurant der Stadt“, schrieb der Gault Millau 2014 über Elberts 11A im Stadtteil Linden. Nun gingen die Attribute auch an sein Ende Februar dieses Jahres eröffnete Boca über. Da ist die Lage in der Spichernstraße, der ,,hässlichsten Straße der Gegend“, wie Elbert einschätzt. Ein Betonklotz mit Bikerladen und Muckibude und irgendwie dazwischen eingeklemmt das Boca. Ein dunkler Schlauch, 35 Sitzplätze, die Garderobe wird an einem Seilzug in Richtung Decke gehievt. Dazu Retro- und Shabby-Chic-Möblage und eine offene Küche, von der die Chefs sagen, sie sei kleiner als ihre Badezimmer.

Trotzdem schaffen es Constantin Syring, Lukas Heimsoth und ihre Servicefrau und Gin-Expertin (75 Sorten!) Jessy Bozkurt, eine gemütserhellende Atmosphäre zu versprühen, was in solchen Hype-Fällen längst keine Selbstverständlichkeit ist. Die beiden Männer am Herd arbeiteten nach ihrer Ausbildung in der Großburgwedeler Ole-Deele-Sternebrigade von Andreas Tuffentsammer, den es jetzt allerdings aus Niedersachsen wieder in seine süddeutsche Heimat zog.

Ähnlich wie bei Tuffentsammer findet sich auch auf den Boca-Tellern ein ziemlich buntes Ensemble von Farben, Aromen und Konsistenzen. Trotz der Vielfalt der Produkte sind die Gerichte stimmig, frisch und anregend. Witzige Anti-Junk-Kreationen, denen es das Boca offenbar zuallererst zu verdanken hat, dass die hedonistische Karawane von Dienstag bis Samstag in das kleine Restaurant zieht und auch brav wartet, bis ein Platz frei wird. 19,50 Euro kostet das vegetarische 3-Gänge- Menü, das jede Woche wechselt. Zu Vorspeise und Hauptgang gibt es für alle, denen die Gemüseküche nicht reicht, fischige und fleischige ,,Upgrades“ – vom Matjes-Doppelfilet mit Gurkenrelish für 6,50 Euro bis zum Aubrac-Wiesenkalbfilet für 17 Euro.
,,Wir kochen vegetarisch mit den besten Steaks der Stadt“, grinst Inhaber Elbert.


Die stammen übrigens vom Pommernrind, haben eine fünfwöchige Trockenreife am Knochen hinter sich und können für 19,50 Euro als ,,Upgrade“ etwa zum vegetarischen Hauptgericht geordert werden, das mit gegrillter Auberginenscheibe, Süßkartoffel, Bohnen-Pilz-Sugo und Artischockenpüree allerdings auch ohne das Fleisch komplett und weit besser ist als der vegetarische Dilettantismus, der einem sonst häufig unterkommt. Und dabei sind Syring und Heimsoth noch längst nicht am Ende ihres Küchenlateins. Derzeit testen sie fermentiertes Gemüse und experimentieren mit der Methode, Saucen, Marinaden oder Fonds aus frisch entsaftetem Obst oder Gemüse zu ziehen.

Einer der wichtigsten Partner auf diesem Weg ist ihr Obst- und Gemüselieferant, die Hamburger Großhandelsfirma Marker. Ihr Chef, Michael Marker, ist nicht nur ein umtriebiger, sondern auch einideenreicher Mann und er kann zuhören, wenn es um die Wünsche seiner wichtigsten Kunden geht. So wie die Boca-Köche in Hannover haben andere Gastronomen und Küchenchefs erkannt, dass Gemüse, insbesondere alte Sorten, weit mehr als nur eine bunte Beilage ist.

BOCA GASTROBAR

Spichernstraße 7
30161 Hannover-List
Tel. 0511 – 64 20 97 78
www.boca-gastrobar.de

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