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Spargel im Test

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Die meisten Spargelbauern haben mit den meisten Gastwirten eins gemeinsam: Sie werden mit Steinen auf der Brust geboren. Die Frage, wie gut die Saison 2014 denn gewesen sei (dass sie gut war, steht außer Frage), wird erstmal abgewiegelt. „Hätte, wäre, wenn …“ Tatsache ist, dass in Deutschland auf rund 24.000 Hektar Spargel angebaut wird. Der durchschnittliche Hektarertrag beträgt 4.900 Kilogramm und dürfte in diesem Jahr in einigen Anbaugebieten locker überschritten worden sein. Damit ist Asparagus Offizinolis mit einer Gesamterntemenge von etwa 117 Millionen Kilogramm das wichtigste deutsche Gemüse. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch zwischen Flensburg und Füssen unterstreicht das – er beträgt 1,8 Kilogramm. Zum Vergleich: Unsere französischen Nachbarn verzehren lediglich 0,3 Kilogramm pro Kopf und Jahr.

Kurz nach Beginn der Spargelsaison baten wir 20 Spitzenköche aus Berlin, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein um Auskunft darüber, wie sie es mit dem Spargel halten, der für einen Teil der Feinschmeckergemeinde das königliche Gemüse schlechthin, für den anderen lediglich Genuss von der Stange ist – wässrig und weitgehend geschmacklos.

Das Ergebnis der Umfrage spricht erstmal für den Spargel und seine Fans. Auf allen Speisekarten hatte das Gemüse seinen Platz, lediglich der Berliner Zwei-Sterne-Koch Daniel Achilles verzichtete – aus Gründen der Menüplanung, wie es aus dem Reinstoff hieß. Die weißen Stangen, häufig gebraten oder gegrillt, wurden begleitet von Kalbskopf, Taschenkrebs und wilden Gartenkräutern (Johannes King), von Seeteufel, Erbsensprossen und jungen Lauch (Karl Wannemacher), von gebratenem schottischem Lachs (Karlheinz Hauser) von Lamm und Haggis, einer schottischen Wurstspezialität aus Innereien, Hafergrütze und Zwiebeln (Matthias Diether), von Eigelb, Sauerampfer und Roqufort (Michael Kempf) – und das ist nur eine kleine Auswahl.

Wortkarg blieben die meisten Küchenchefs bei unserer zweiten Frage, der nach der Sorte ihres Spargels. Lediglich Frank Schreiber, Josef Eder (beide Ramires) und Karlheinz Hauser (Cumulus) wussten, was sortentechnisch auf ihre Teller kam. Ansonsten wurden die Anbaugebiete genannt, und Kolja Kleeberg schrieb: ,,Carlo, unser Gemüselieferant, bringt uns, wenn es sie gibt, eine alte Sorte – den Namen kannte er auch nicht. Weshalb wollt ihr das eigentlich wissen?“ Die Antwort lautet: ,,Weil die Sorte wesentlich den Geschmack bestimmt.“

Das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen im Harzstädtchen Quedlinburg trägt einen berühmten Namen: Julius Kühn. Das vor sechs Jahren gegründete Institut hat seinen Sitz in der Erwin-Baur-Straße. Ein zweiter berühmter Name. Kühn (1825-1910) gilt als Vater der modernen Phytopathologie, also der Wissenschaft von den Pflauenkrankheiten und – schädlingen. Baur (1875-1933) gehört zu den Begründern der deutschen Obstzüchtung.

Namen also, die verpflichtend sind. Sicher auch für den promovierten Chemiker Detlef Ulrich. Ulrich ist also Aromaforscher, Leiter der Arbeitsgruppe Aroma- und Signalstoffe, und beschäftigt sich, wie er sagt, mit der sensorischen Qualität von Obst und Gemüse. „Er ist so etwas wie der Sisyphos der Obst- und Gemüseentwicklung“, schrieb eine Kollegin einmal über den Forscher, mit dem wir über den „Genusswert“ des Spargels, des beliebtesten deutschen Gemüses sprachen.

Herr Dr. Ulrich, Sie haben gerade einen Spargeltest abgeschlossen?
Ja, wir haben zehn der in den deutschen Anbaugebieten gängigen Sorten sensorisch getestet und bewertet, also solche etablierte Sorten wie Backlim, Gijnlim, Grolim, Thielim, aber auch Neuzüchtungen, etwa die Sorte Cumulus.

Alle diese Spargelsorten sind moderne männliche Hybridzüchtungen, waren in ihrem Test auch alte, samenfeste Sorten, etwa Ruhm von Braunschweig oder Schwetzinger Meisterschuss?
Nein, weil diese Sorten kaum noch angebaut werden und uns nicht zur Verfügung standen.

Wie ist das Ergebnis ausgefallen?
Wir sind dabei, den Test auszuwerten, werden das Ergebnis aber noch im Sommer veröffentlichen.

Wie läuft denn ein solcher Test ab?
Wir sprechen von einer wissenschaftlich durchgeführten Verkostung. Geschulte Prüfer beurteilten Geruch, Geschmack und Nachgeschmack, den sogenannten retro-nasalen Eindruck, also das, was sich im Nasen-Rachen-Raum abspielt sowie das Mundgefühl der jeweiligen Spargelsorte.
Hinzu kommt eine Einschätzung der Beliebtheit auf einer Skala von 1 bis 9, wobei 9 sehr gut bedeutet. Diese Einschätzung stellt ein Maß für die subjektive Vorliebe der Verkoster für eine bestimmte Sorte dar.

Wenden Sie auch instrumentelle Methoden an?
Ja. Beim Spargel ist es möglich, im gekochten Produkt etwa den Zucker- und Fasergehalt sowie einige Bitter- und Aromastoffe zu messen. Für das unverwechselbare und begehrte Aroma sind übrigens 20 bis 30 sogenannte Schlüsselsubstanzen verantwortlich, deren Analyse aber sehr aufwendig ist.

Wie sollte denn Spargel überhaupt schmecken?
Die Verkostung einer Vielzahl von Proben hat ergeben, dass die Beliebtheit von Spargel von folgenden Eigenschaften abhängt: Er sollte zart und nicht faserig ein, aromatisch und angenehm süß schmecken und er sollte frei von Fehlnoten wie ranzig, muffig oder modrig sein. Überraschend ist vielleicht die Tatsache, dass er neben der Süße auch ein gewisses Maß an Bitterkeit aufweisen muss, sonst wird er als lasch empfunden.

Wie groß sind eigentlich die geschmacklichen Unterschiede der verschiedenen Spargelsorten?
Primär ist der Geschmack durch die Sorte bedingt. Bei Wein oder Äpfeln ist diese Tatsache für die Verbraucher unbestritten. Beim Spargel allerdings ist nicht mal bekannt, dass eine Vielzahl von Sorten angebaut wird. Hinzu kommen solche Einflussgrößen wie Boden, Klima, Anbaubedingungen, Erntezeit, Nacherntebehandlung und Transport. So führt zum Beispiel jede Art der Lagerung zu einem Verlust an Geschmack. Insbesondere die häufig angewandte Wässerung bewirkt starke Veränderungen, säuerliche und kartoffelartige Aromawahrnehmungen etwa.

Welche Rolle spielt der Geschmack in der Züchtung?
Bei der Züchtungsarbeit spielen solche Ziele wie das Ertragspotential, die Stangenqualität und – dicke sowie ein guter Kopfschluss die wichtigste Rolle. Der Geschmack erscheint untergeordnet.

JULIUS KÜHN-INSTITUT

Erwin-Bauer-Straße 27
06484 Quedlinburg
Tel. 03946 – 47 321
www.jki-bund.de

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