Fleischwolf und Lotte
Der berühmte Chirurg und Klinikdirektor Werner Körte (1853-1937) hätte, weil er auch ein bekennender Feinschmecker war, an der nach ihm benannten Kreuzberger Straße heute sicher seine helle Freude.
Auf dem knappen halben Kilometer zwischen Südstern und Urbanstraße drängen sich gute kulinarische Adressen: die Weinhandlung Cavatappi, der Feinkostladen Broken English, die Biobäckerei Beumer & Lutum, Hammers Weinkostbar, das Bistro Kiez vegan und – am Ende der Körte – das Geschäft von Patrick Thommel und Jörg Hennerich. „Fleischwolf und Lotte“ wirbt ein Schild über der Tür, signalrot und weithin sichtbar.
Der Name ist Programm, die beiden Männer verkaufen Küchenwerkzeuge. Sie offerieren ein Angebot, das dem Bauhaus-Leitspruch „Die Form folgt der Funktion.“ nahe steht. Wem beispielsweise ein Gerät zum Auspressen von Zitronen fehlt, bekommt bei ihnen einen Porzellanentsafter, dessen Lifestylefaktor zwar gegen Null tendiert, dessen Gebrauchswert dafür aber etwa das bekannte Alessi-Spinnenbein-Objekt um Längen übertrifft. Küchenutensilien, die lediglich ein sichtbares Zeichen gehobenen Lebensstils darstellen, sind Thommel und Hennerich ein Graus, ebenso das, was manchen Zeitgenossen für die Aufnahme in den Biedermeier der Genusskultur nötig scheint, was in Wirklichkeit aber keiner braucht: Ballonbesen, Capreseheber, Gemüseaushöhler, Parisienneausstecher, Ziseliermesser oder Zwiebelschneider.
„Entscheidend ist für uns ein funktionelles Design, eine stabile Ausführung, hochwertiges Material und dessen erstklassige Verarbeitung“, sagt Patrick Thommel und Jörg Hennerich fügt hinzu: „Gute Küchenwerkzeuge sollten ein leichtes, ermüdungsfreies und sicheres Arbeiten ebenso ermöglichen wie eine einfache Reinigung.“ Eine klare Ansage, mit der wir auch bei der titelgebenden Schatzkiste von Patrick Thommel und Jörg Hennerich wären.
Zuallererst ist diese Box eine respektable Schreinerarbeit, Länge 78, Breite 60, Höhe 53 cm, ein Deckel, zwei Griffe, drei Einschübe. Darin befinden sich 29 hochwertige Küchenwerkzeuge – Klassiker, die man wirklich zum Kochen braucht: Messer, Pfanne, Schäler, Schmortopf, Sieb, samt und sonders Produkte renommierter Manufakturen, bewährt, erprobt.
Die fortgeschrittene Industrialisierung der Küche fand keine Beachtung, Statussymbole hochgerüsteter Haushalte wie Dampfgarer, Spiralizer, Thermomix und andere Küchenmonstren blieben außen vor. „Beim Kochen ist weniger oft mehr, das gilt auch für die Werkzeugkiste“, sagt Patrick Thommel.
Der 46-jährige Betriebswirt muss es wissen, denn sein Ur-Urgroßvater gründete 1876 in Ravensburg eine Eisenwarenhandlung, in der auch Küchengeräte verkauft wurden und die heute von Thommels Bruder geführt wird. Jörg Hennerich stammt übrigens ebenfalls aus Ravensburg, studierte Volkswirtschaft und arbeitete jahrelang in der Finanzabteilung eines deutschen Großverlags. Der eigene kleine Laden war der Traum der beiden Männer, ein bisschen Old Economy im Zeitalter der Hightec-Küchen. Im April 2014 eröffneten sie ihr Geschäft, nannten es Fleischwolf und Lotte und formulierten damit auch ihr Programm.
Natürlich gibt es bei Fleischwolf und Lotte neben den Essentials freudvoller Küchenarbeit immer auch ein bisschen praktischen Luxus: einen Swing-Mörser der dänischen Manufaktur Skeppshult beispielsweise, formschön und äußerst praktisch, um ein paar Senf-, Koriander- oder Pfefferkörner zu schroten.
Wer trotz dieses und der vielen anderen Helferchen keinen Bock auf Herd hat, kein Problem. Patrick Thommel und Jörg Hennerich offerieren eine Reihe von Fertiggerichten – jetzt nicht gleich „igitt“ schreien – die im keinen fünf Minuten entfernten Restaurant Herz & Niere zubereitet wurden, natürlich ohne Farb- und Konservierungsstoffe oder was sonst normalerweise noch bei dieser Kategorie Lebensmittel den Genuss versaut. „Weck die Heimat – Gerichte Deiner Kindheit – frisch gekocht und eingeweckt“, steht auf den Gläsern, die von Thommel und Hennerich übrigens auch in Büros, Kanzleien und Kontore geliefert werden. Wir sagen jedenfalls: lecker bis zum letzten Löffel. Also, wenn schon nicht selber kochen, dann wenigstens richtig einkaufen!
Fleischwolf und Lotte Kochschule
Eine original Bouillabaisse marseillaise geht natürlich anders, aber das sehen die Koch“lehrer“ Alexander und Andreas Hiller ebenso sportlich wie die Teilnehmer ihres Workshops.
So jedenfalls nennen die Fleischwolf-und-Lotte-Inhaber ihre regelmäßigen Kochkurse, die sich wohltuend von anderen Veranstaltungen dieser Art abheben, mindestens von denen, die wir kennen. Erstens sind die Gruppen kleiner, zweitens die Weine besser und drittens ist die Mischung aus Werkzeug- und Warenkunde, Küchentricks und Einkaufstipps amüsanter.
Das liegt natürlich einerseits am Konzept – eher fröhliches Beisammensein mit Bildungsfaktor denn mehr oder weniger stressiger Kochunterricht – andererseits aber auch an den Hiller-Brothers, zwei Köchen, die nach ihrer Ausbildung bei Altmeister Franz Raneburger und zwei Jahrzehnten in der Berliner Spitzengastronomie sich mit einer Firma für die Entwicklung von Küchenwerkzeugen (www.hillers-kitchen-tools.com) selbstständig machten und bei Fleischwolf und Lotte für Herdspaß sorgen.
Fleischwolf + Lotte
Körtestraße 2
10967 Berlin-Kreuzberg
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