Die hundert besten Restaurants in Europa
Nachgelesen in alten Kochbüchern:
„Trotz Internet und Fernsehküche – Kochbücher werden immer ein Kulturgut bleiben“, davon sind Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr überzeugt. Die beiden Männer zogen im Januar 2010 aus dem Ruhrpott nach Berlin und betreiben seitdem in einem restaurierten Altbau-Souterrain in Berlin-Mitte, in der Nähe des Rosenthaler Platzes, Deutschlands vermutlich größtes, auf jeden Fall aber Berlins einziges Kochbuchantiquariat. Rund 60.000 Titel aus zweieinhalb Jahrhunderten umfasst ihre Bibliotheca Culinaria.
Neben bibliophilen Ausgaben, etwa von Auguste Escoffier, stehen büttengedruckte Originale, handgeschriebene Unikate, kulinarische Enzyklopädien, Magazine und Zeitschriften, Promikochbücher von Sophia Loren bis Vico Torriani, Kriegs- und Nachkriegskochbücher. „Das Stöbern in diesem Fundus ist immer auch eine Art besonderer Geschichtsstunde“, sagen die Antiquare. Nun stöbern Johannes Mohr und Swen Kernemann-Mohr sozusagen auch öffentlich. Für Garcon blättern sie in Kochbüchern aus vergangenen Zeiten und notieren, was sie dabei bewegt.
Die hundert besten Restaurants in Europa
Klaus Besser
Neuausgabe 1977
Lizenzausgabe mit Genehmigung der
Verlag Ullstein GmbH, Berlin
für die Deutsche Buch-Gemeinschaft
C.A. Koch´s Verlag Nachf., Berlin, Darmstadt, Wien
Mit 159 Abbildungen und 24 Karten
Preis (antiquarisch): 9,80 Euro
Ein vor 40 Jahren erschienenes Buch mit 100 Restaurants, von denen das Gros bereits in der kulinarischen Versenkung verschwunden ist – und mit ebenso vielen Küchenchefs, deren Namen in den meisten Fällen nur noch ein paar Freaks bekannt sein dürften: Weshalb wir solche ollen Kamellen hervorkramen?
Unsere Antwort lautet kurz und bündig: Weil es ohne sie die schöne neue Genusswelt nicht gäbe. Günther Wanka zum Beispiel, das ist der Mann mit der großen Brille (2.v.re.) auf dem Coverbild des Bandes, war in den 1960ern und 1970ern Küchenchef des – wie Klaus Besser es nannte – „Flaggschiffs der deutschen Gastronomie“.
Der Erbprinz im baden-württembergischen Ettlingen gehörte 1966 zu den ersten Restaurants in Deutschland, die mit einem Michelinstern geehrt wurden. Auch 1974, als die französisch Tester sechs Restaurants diesseits des Rheins den zweiten Stern zuerkannten, war der Erbprinz dabei und Wanka auf dem Höhepunkt seiner langen Küchenkarriere.
Die Liste derer, die an seinem Herd Gastspiele gaben, ist lang: Lothar Eiermann, Otto Fehrenbacher, Marc Haeberlin, Alfred Klink, Eckart Witzigmann – auch die heute noch aktiven Sterneköche Hans Haas (München) und Hans Stefan Steinheuer (Heppingen) gehören dazu.
„Klaus Besser möchte mit diesem Buch die großen Köche und Gastronomen aus ihrer Anonymität herausheben“, heißt es im Klappentext des Verlages. Ein Satz, der uns heute, gut 40 Jahre nach dem Erscheinen des Bandes, ein Grinsen ins Gesicht treibt. Ein Tim Mälzer oder ein Nelson Müller sind heute (auch ohne das Attribut) mit Sicherheit bekannter, als es sich Besser je hätte vorstellen können.
Klaus Besser, Jahrgang 1919, gehörte zu den prägenden Persönlichkeiten des deutschen Journalismus der Nachkriegszeit. Er war Chefredakteur der in Essen erscheinenden NRZ (Neue Ruhr Zeitung) und später der DGB-Wochenzeitung Welt der Arbeit. In den 1970ern wurde Besser Gastronomiekritiker, gründete 1978 „Besser´s Gourmet Journal – Die Kunst, richtig zu genießen“, das, mehrfach umbenannt und umgewandelt, 1997 im heute noch erscheinenden FEINSCHMECKER aufging.
In einer alten Ausgabe des ZEIT-MAGAZINS entdeckten wir einen Artikel von Wolfram Siebeck, der die Lebensleistung seines im Spätherbst 1995 verstorbenen Kollegen würdigt: „Klaus Besser war der Geburtshelfer des Deutschen Küchenwunders, gleichzeitig Entdecker und Wachhund der jungen Talente. … Seine Unabhängigkeit und sein großer Erfahrungsschatz machten ihn zu einem verlässlichen Kritiker, der auch von denen respektiert wurde, die ihn unbequem fanden. Er war eine Ausnahme.“ Die Zeichnungen auf dieser Seite stammen übrigens aus der Feder von Katharina Jedermann (1948-2018), einer Berliner Grafikerin, die an der Universität der Künste Visuelle Kommunikation lehrte und sich auch in der kommunalen Kulturarbeit einen Namen machte.
Die Porträts der einst besten Köche Europas entstanden 1977 für das ebenfalls bei Ullstein erschienene Buch von Klaus Besser „Die hundert besten Rezepte der großen Köche Europas“.
Dieses Buch und weitere kulinarisch-historische Nachschlagewerke sind in der bibliotheca-culinaria zu finden.