Miso braucht Zeit und Zedernholz
Die gebürtige Niedersächsin Dagmar Maas studierte Betriebswirtschaftslehre und startete ihre berufliche Karriere als Unternehmensberaterin. Während sie tagsüber internationale Teams coachte, drückte die genussfreudige Managerin abends selbst die Schulbank des Wine and Spirit Education Trusts (WSET). 2011 ging sie mit ihrer Familie nach Japan und begann, sich das weite Feld der japanischen Kulinarik zu erschließen. In Tokio besuchte sie die renommierte Kochschule von Elizabeth Andoh und war als Assistentin der weltweit bekannten Kochbuchautorin tätig. Zudem absolvierte sie eine Lehre zur Sake-Sommelière und wurde danach vom WSET als Sake-Ausbilderin zertifiziert.
Nach der Rückkehr der Familie nach Berlin machte die Mutter dreier Töchter ihre kulinarischen Kenntnisse zum Beruf. Dagmar Maas eröffnete in der Potsdamer Straße eine japanische Genusswerkstatt. Für Garcon arbeitet sie als Autorin und schreibt regelmäßig über das kulinarische Japan.
Die Kirschblüte – eine der beliebtesten Jahreszeiten für eine Reise nach Japan. Ich muss gestehen, dass auch ich dem Zauber der zarten Blüten regelmäßig erliege. Und doch gibt es viele Gründe, warum es mich häufig auch im Herbst ins Land der aufgehenden Sonne zieht. Das Feuerwerk der Natur, wenn sich die Blätter färben, spätsommerliche Temperaturen und kulinarische Highlights wie die Matsutake-Pilze, sind nur einige davon. Im letzten Jahr war ich im September in Kamikawa in der Präfektur Saitama. Kamikawa, im Schatten von Tokio gelegen, ist eine Kleinstadt auf dem Land, Heimat der Kochbuchautorin Nancy Singleton-Hachiso und der Familie Kitani, die seit über 100 Jahren unter dem Namen „Yamaki Jozo“ Sojasauce und Miso herstellt und in den 1970ern die treibende Kraft bei der Umstellung der Region auf ökologischen Landbau war. Miso-Produzenten sind in Japan noch keine Seltenheit – gut 1.000 gibt es derzeit — die meisten davon kleine Familienbetriebe, die allerdings schneller von der kulinarischen Landkarte verschwinden, als man mit den Augen zwinkern kann.
Beim Miso trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Man unterscheidet nicht nur Industrieunternehmen und Familienbetriebe, sondern auch solche mit moderner Produktion und andere, die an traditionellen Methoden festhalten. Bei Yamaki Jozo ist das Rezept für Miso seit dem 19. Jahrhundert unverändert. Die Basis: beste Rohstoffe aus der Region und viel Geduld. Man wehrt sich gegen moderne Methoden, die den zeit- intensiven Produktionsprozess beschleunigen und ökonomisch effizienter gestalten könnten.
Mit Erfolg. Die Miso-Pasten aus braunem Reis, Gerste oder Sojabohnen reifen hier seit eh und je in den gleichen, mittlerweile 100-jährigen Zedernholzfässern und nicht in Edelstahltanks wie in vielen anderen Unternehmen. Und es sind eben jene alten Fässer, die den Miso-Geschmack einzigartig und unverwechselbar machen. Der Zeitpunkt, wann ein neues Miso fertig ist, lässt sich nicht genau bestimmen. Eben dann, wenn der Geschmack so ist, wie er sein soll. Perfekt.
Wie und wofür man Miso benutzten kann, füllt mittlerweile Bücher über Bücher. Zu Recht, denn wenn auch nicht in der westlichen Küche beheimatet, so profitiert fast jedes Gericht von der Tiefe, der Komplexität und dem Umami, das Miso ihm verleiht. Sei es in einem einfachen Salat-Dressing, als Sauce zum Gemüse, zum Überbacken, anstelle von Salz in einer Bolognese oder als appetitanregender Counterpart in Eis oder Desserts.
Miso ist aber nicht nur eine kulinarische Wunderwaffe. Vollgepackt mit probiotischen Bakterien, verwöhnen wir mit jedem Löffel Miso nicht nur unsere Geschmacksnerven, sondern auch unseren Körper. A und O hierfür ist allerdings, dass das Miso nicht pasteurisiert wurde. Bei Yamaki Jozo wird nicht pasteurisiert — weder Miso noch Sojasauce. Das schmeckt man, und es lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen – Umami pur. Obwohl es die Produkte von Yamaki Jozo seit dem vergangenen Jahr auch bei uns zu kaufen gibt, eine Reise nach Kamikawa lohnt sich dennoch.
Im November gibt es dort ein Naturschauspiel, dass selbst in Japan weitgehend unbekannt ist: Die Kirschblüte im Herbst. In der Region ist eine besondere Art von Kirschbäumen beheimatet, deren zarte Blüten zweimal im Jahr zu sehen sind – einmal zur üblichen Zeit Ende März und einmal Ende November, wenn die Blätter der übrigen Bäume ein herbstliches Farbenfeuerwerk veranstalten. Hier – weitab von den touristischen Trampelpfaden – kann man also Kirschblüte und Indian Summer gleichzeitig genießen.
NIHON MONO
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©Fotos von Tweety Tokio